Freitag, 21. Oktober 2011

Tulpen gegen Veilchen

Rapid darf sich am Sonntag warm anziehen. Der Stadtrivale zeigte gestern Abend beim niederländischen Tabellenführer Alkmaar eine ansehnliche Leistung, die beinahe sogar mit drei Punkten belohnt wurde. Die violette Defensive konnte dem Druck schlussendlich aber nicht Stand halten.

Zudem sei gesagt, dass besonders die AZ-Offensive - bis auf die Anfangsphase - im ersten Durchgang blass blieb. Das Sturmtrio Beerens-Benschop-Gudmundsson war bei seinen Bewachern sehr gut aufgehoben. Die Wiener standen besonders in der Defensive kompakt, unter anderem auch, weil die gesamte Elf beim Verteidigen half. Und immer wieder konnten die quirligen und technisch starken Junuzovic, Jun und, ganz besonders, Barazite einen Konter fahren. Die Führung für die Gäste gelang allerdings durch ein Eigentor des Innenverteidiger Marcellis, der den Ball nach einer Ecke unhaltbar ins eigene Netz abfälschte.

Dass Karl Daxbacher seine Mannschaft aber auch im Offensivspiel taktisch gut eingestellt hatte, bewies nur wenige Momente später das 0:2. Ein schöner Lochpass auf Barazite, ermöglichte dem Niederländer den Ball in den Rückraum abzulegen. Wie einstudiert, stand dort bereits Jun, dessen Schuss allerdings von der Abwehr geblockt wurde. Den Abpraller ließ sich der junge Gorgon nicht nehmen.

Mit der Wut im Bauch kam die Mannschaft von Gertjan Verbeek aus der Kabine. Auch die Fans versuchten die Mannschaft nach Wiederanpfiff noch einmal zu pushen. Dabei möge nicht unerwähnt bleiben, dass der Erfinder dieser in Alkmaar und Salzburg benutzten „Klatschersatzdinger“ in der Hölle schmoren möge. Die Unterstützung von den Rängen stellte sich allerdings nach einer Viertelstunde ohne niederländischem Torerfolg wieder ein. Die Defensive der Violetten stand gut, bis hierher.

Bis auf ein korrekterweise wegen Abseits aberkanntes Tor und einen Weitschuss von Barazite vollbrachte die Offensive im zweiten Spielabschnitt nichts Nennenswertes. Der Anschlusstreffer in der 80. Minute offenbarte aber Folgen einer bis dahin defensiv guten Leistung. Zumal sich die Mannschaft bereits in Malmö zu früh auf das Absichern des Vorsprungs konzentrierte, tat sie es gestern erneut; dem schnelleren und taktisch höheren Niveau zollte die violette Defensive mit Konzentrationsmängeln in der Schlussphase Tribut. So verlagerte AZ mit einem Pass im Mittelfeld bereits früh das Spiel auf den rechten Flügel. Die violette Defensive verschob allerdings erst gegen den Ball, als Lewis bereits in den Strafraum eindrang. Den Stanglpass drückte schließlich Hlinka über die eigene Linie.

Der Knackpunkt in einer Partie, in der AZ wohl aus eigenen Kräften nicht mehr zurück gekommen wäre, weil die Defensive des Bundesligisten bis auf diese eine Situation gut stand. Verunsicherung machte sich in der Folge bei den Innenverteidigern Ortlechner und Margreiter breit. Und nur drei Minuten später scherzelte Wernblom den Ball zum zweiten Mal vorbei an Torwart Grünwald, diesmal nach einer Ecke. Die Niederländer drückten noch auf das Siegtor, erneut Wernblom verpasste die Kugel aber um Haaresbreite allein vor Grünwald.

Unterm Strich verkauften sich die Favoritner gegen den niederländischen Tabellenführer teuer. Im ersten Durchgang waren sie das bessere Team. In der zweiten Hälfte wurde AZ seiner Favoritenrolle schon eher gerecht und legte das Image, eines überheblichen Bengels ab. Verbeeks Jungs trauten sich offensiv mehr zu, standen insgesamt höher und nagelten ihre Gegner bereits am Sechzehner fest. Auch das Kurzpassspiel klappte nach Seitenwechsel besser, während in den ersten fünfundvierzig Minuten oftmals, untypisch für niederländische Mannschaften, mit langen Bällen operiert wurde. Da die violette Defensive aber vor allem im Zentrum äußerst kompakt stand und den eigenen Strafraum stets unter Kontrolle hielt, kann man von einem unnötigen Punktverlust sprechen. Auch, dass Daxbacher nach dem ersten Verlusttor nicht mit etwaigen Spielerwechseln etwas Elan aus dem Angriffsspiel der Niederländer nahm, sei zu bekritteln.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Stadionbau: Ein bisschen Spektakel ist erwünscht

Die Fußball-WM in Katar findet zwar erst 2022 statt - über die Stadien-Neubauten wird aber schon heute diskutiert. Zwei Architekten über Sinn und Zweck solcher Bauten.

Es gibt Fußballstadien, die schauen aus wie Fußballstadien. Und dann gibt es welche, die vor allem eines sind: spektakulär. Die Stadien, die für die WM 2022 in Katar gebaut werden, fallen in die zweite Kategorie. Entworfen wurden sie vom Frankfurter Architekturbüro Albert Speer. Doch wer braucht solche (sportlichen) Kunstwerke? Und wie viel Eitelkeit seitens der Architekten ist hier im Spiel? Antworten auf diese Fragen lieferten Andreas Hild von Hild und K Architekten in München und Axel Bienhaus vom Architekturbüro Albert Speer auf der Expo Real.

„Das Problem ist das Denken in Bildern“, sagt Hild, der diese „Spektakulär-Architektur“ kritisch sieht. „Was ein Gebäude können muss, das zählt nicht - sondern nur, wie es ausschaut.“ Er ist überzeugt: „Auf Spektakularität können wir verzichten.“ Bewährte Architektur kann durch solche Projekte nicht ersetzt werden. „Zwischendurch kann das mal sein, etwa um eine Vision zu formulieren“, sagt Hild.

Wie bewohnbar ist das?
Bienhaus sieht das ähnlich. „In erster Linie kommt es darauf an, welche Funktion ein Objekt erfüllen muss. Bei vielen Projekten frage ich mich aber: Was können die? Warum muss das Haus schwimmen? Wie bewohnbar ist das?“ Laut Hild muss zukunftsweisende Architektur in der Lage sein, Dinge am Standard zu lösen. „Bevor wir Städte in den Untergrund oder auf das Wasser legen, sollten wir die städtebaulichen Probleme von heute lösen.“

Doch der kritische Zeigefinger muss längst nicht bis nach Katar zeigen. Auch in Deutschland hat man sich an spektakulärer Sportarchitektur versucht - siehe Allianz Arena in München. „Da wollte sich Bayern München auch in der Architektur wiederfinden. So viel anders ist das in Katar nicht“, sagt Bienhaus. Kritik an den WM-Stätten in Katar musste er sich schon des Öfteren anhören - nachvollziehen kann er sie nicht. Themen wie Nachhaltigkeit und Kapazitätsauslastung nach der WM wurden immer in die Planung einbezogen. „Wir wollten nie eine Sportinfrastruktur schaffen, die dann ungenutzt in der Wüste steht.“ Die Standortauswahl ist demnach ein wesentlicher Aspekt bei der Nachhaltigkeit.

Große Chancen
„Schwimmende Stadien“ wie das von Architekt Michael Burt sind laut Bienhaus nur auf den ersten Blick eine Alternative zum Neubau. „Es geht um sehr viel mehr - um Infrastruktur, um Wohnungen. All das löse ich nicht, wenn ich ein Stadion auf einem Schlauchboot ranschleppe.“ Laut Bienhaus würden Städte dadurch eine große Chance vertun. In London wurden gleich mehrere einst schwierige Stadtteile im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2012 aufgewertet. Ohne hin sei der Stadionbau nur ein sehr kleiner Teil eines sportlichen Großprojekts.

Probleme mit der Nachnutzung gibt es nur, wenn Strukturen geschaffen werden, die nicht auf den lokalen Markt zugeschnitten sind. Deutschland habe das geschafft - in Südafrika ist das nicht gelungen. Bienhaus: „In Katar werden die Stadien an „Entwicklungs-Hotspots“ errichtet und sicher nicht in einer Sackgasse.“ Dennoch bestätigt er, dass Sportprojekte immer schwierige Immobilienprojekte sind. „In der Regel spielen sie nicht ein, was sie kosten. Das ist eine Investition in das Gemeinwesen, die sich nicht hundertprozentig rechnen muss.“



Info-Box: WM-Stadion um 2,2 Milliarden €

„Expect Amazing“ lautet der Slogan der Fußball-WM in Katar. Ein Blick auf die Stadienentwürfe zeigt: Hier wird nicht zu viel versprochen. Drei Stadien werden ausgebaut, neun neu errichtet. Entworfen wurden sie vom deutschen Architekturbüro Albert Speer & Partner. Die Planer versprechen: Wir werden die ersten CO 2-neutralen Stadien der Erde bauen.

Ein Großteil der benötigten Energie soll aus Solartechnik bezogen werden. Die Höchsttemperatur in den Stadien wird 27 Grad nicht überschreiten. „Wir hätten das Projekt nicht gemacht, wenn es nicht ein gescheites Konzept für die Klimatisierung oder auch ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept gegeben hätte“, sagt Axel Bienhaus, Architekt von AS & P (siehe Artikel oben).

Alle Stadien werden innerhalb einer Stunde erreichbar sein - die Wege werden demnach so kurz wie nie zuvor sein. Ein Metro-Netz mit einer Gesamtlänge von 320 Kilometern wird derzeit von der Deutschen Bahn AG geplant und 2021 fertig gestellt sein. Einige Stadien werden auch per Wassertaxi erreichbar sein. Schätzungen zufolge kosten die Stadien zwischen 2,2 und 3 Milliarden €.

Wasserstadion. Warum Sportstätten neu bauen, wenn sie ohnehin nach wenigen Wochen wieder leer stehen, dachte Architekt Michael Burt vom Technion Isreal Institute of Technology. Er hat ein schwimmendes Stadion in Leichtbauweise für bis zu 150.000 Zuschauer entworfen, das auf dem Seeweg zu den Austragungsorten gebracht werden kann. Für die Verbindung zum Land sollen Piers und Pontonbrücken sorgen. Unklar ist freilich, wer das „wieder verwertbare“ Stadion finanziert und zwischen den Events in Schuss hält.



Quelle: Wirtschaftsblatt von Freitag, 14. Oktober 2011; Seite 13

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Quo vadis, Orf-Sportredaktion?

Michael Roscher beglückte uns gestern Abend wieder mit seinen geistigen Ergüssen. Wie jeder andere Sportkommentator im Öffentlich Rechtlichen halt auch. König, Polzer, Kastner-Jirka, De Ryan. Die Bandbreite ist groß, Qualität rar. Ein brünftiger Schrei, gefolgt von Sekundenlanger Stille. So in etwa wird beim Staatsfernsehen eine Tormöglichkeit kommentiert. Vielleicht sollen aber auch nur Emotionen transportiert werden. Zudem hat es den Anschein, dass niemand von den Genannten großartig Lust auf die „Osttournee“, wie die Reise nach Aserbaidschan und Kasachstan immerwährend im Boulevard benannt wurde - und eben auch im Orf -, hatte; Roscher darf durch aus als Blinder unter den Einäugigen genannt werden. Einzig Rainer „Die Hose“ Pariasek gab sich für die Reise ebenfalls einen Ruck. Analytisch garniert, gestern, durch Mählich und Schinkels. Früher auch schon durch Zsak. Oder eben einem anderen rhetorisch äußerst begabten, aber ehemaligen Ballesterer. Die fachliche Speerspitze wie sonst auch, Schneckerl Prohaska. Wie fachlich aussagekräftig diese Analysen sind, bleibt jedem selbst zu beurteilen, was für einen Aufschließungsgrad er oder sie durch Erklärtes eben hat. Der Grundgedanke der „neuen“ Fußball Arena fortschrittlich. Wobei eher: Zurück in die Zukunft. Eine mittelmäßige Kopie des Hangar-Talks oder Talk und Tore - wobei sich schon diese mühen, sich irgendwie an das Niveau deutscher Fußballdiskussionsformate wie Doppelpass oder der Sportschau heranzutasten - versucht zwanghaft den Fußball auf eine fachlich gehobenere Ebene zu befördern. Zumindest versucht es das Staatfernsehen. Was auf Grund der knappen intellektuellen Spitze im österreichischen Fußball natürlich nur schwierig zu bewerkstelligen ist. Wie der Standard korrekt anmerkt, ist es nur schwer möglich eine konstruktive Teamchefdiskussion in Gang zu bringen, wenn fünf von sieben Beteiligten kategorisch Contra sind. Und sowieso: „Taktik ist überbewertet“, „des jetzt amol aso“. Oder so irgendwie. Über was soll also noch sachlich seriös debattiert werden? Mit Peter Simonischek und Michael Schottenberg, bestimmt zwei herausragende Persönlichkeiten aus dem Schauspiel, lädt man aber bereits in der zweiten Episode einer zwanghaft inszenierten Diskussionsrunde zwei Gäste ein, die mit Fußball genauso viel am Hut haben, wie wohl Andi Ogris mit dem Burgtheater. Insofern hat der Schneckerl mit seinem finalen Augenzwinkern Recht. „Gute Nacht!“

Richter Rasen begrünt polnische Fußballstadien

Deutsch Brodersdorf. Wenn kommenden Sommer die Bilder der Fußball-EM in Polen und der Ukraine übertragen werden, wird darauf auch ein Stückchen Deutsch Brodersdorf zu sehen sein. Denn so manche Rasen läche, die bei der EURO 2012 zum Einsatz kommt, stammt von dort bzw. genau genom en aus Parndorf oder einem Vorort von Bratislava, wo die Richter Rasen GmbH mit Sitz in Deutsch Brodersdorf ihre Anbauflächen hat.

So hat das niederösterreichische Unternehmen bereits die ukrainischen EM-Stadien Kiew, Donezk und Lemberg mit seinem Fertig asen ausgestattet. Aufträge aus Polen sollen noch folgen: "Wir verhandeln derzeit und sind recht zuversichtlich, dass man auch in Polen auf unseren Rasen zurückgreift", sagt Alexander Richter, der den 1906 gegründeten Familienbetrieb in vierter Generation führt.

Holländer am Zug. Derzeit freilich sind in Polen die Holländer am Zug. Sie haben etwa für die Spielarena Danzig Rollrasen geliefert. Richter: "Aber bis zum Frühjahr werden die Polen vielleicht draufkommen, dass der holländische Rasen zwar billiger ist, aber nicht dieselbe Qualität hat." Und dann könnten die Fußballfelder sehr rasch mit Richter Rasen, der laut Eigenangaben von der UEFA als Qualitäts monopolist für Fußballrasen eingestuft wurde, begrünt werden. Richter: "Der Rasen ist im Vergleich zum Hochbau ja günstig. Aber wenn der Rasen nicht stimmt, bringt das einen Imageschaden." Durchschnittlich kostet ein Fußballrasen (inklusive Aufbau und Bodenheizung) zwei Millionen €. Erfahrung in Polen hat das Unternehmen, das etwas mehr als 40 Mitarbeiter zählt, schließlich schon. In der Vergangenheit hat es bereits zwölf polnische Fußballstadien mit Fertigrasen bestückt.


Quelle: Wirtschaftsblatt von Montag, 10. Oktober 2011; Seite 9

Freitag, 7. Oktober 2011

Sängerknaben in Kurvenlage #5: Johann Krankl

Noch vor Cordoba veröffentlichte Johann K. seine ersten Scheiben. In dem Interview philosophiert der eventuell noch werdende Wirtschaftssoziologe in Selbstreflexion über die Bedeutung des Geldes und die damit einhergehenden materialistische, wie soziale Statusaufwertung.


Donnerstag, 6. Oktober 2011

Die Bundesliga plant die Energiewende

Nach Jahren des Zögerns investieren deutsche Fußballklubs verstärkt in Umwelttechnik für ihre Sportstätten.

Ingmar Höhmann. Köln. Der Anlagenbauer Imtech hat Platz eins im Blick. Das Hamburger Unternehmen will das Stadion des HSV zur energieeffizientesten Arena der Fußballbundesliga machen. Seit 2010 ist Imtech Namenssponsor der Sportstätte - und hat diese auf Energieeffizienz getrimmt: Eine bessere Rasenheizung, neue Lampen und moderne Gebäudetechnik helfen nun beim Stromsparen. Binnen acht Monaten sank der Energieverbrauch um 35 Prozent. Für den HSV rentiere sich das Projekt nach zwei bis drei Jahren, sagt Rolf-Jürgen Merz, Direktor des Kompetenzzentrums Stadion- und Arenatechnik bei Imtech. „Jeder Stadionbetreiber, der das wirtschaftliche Potenzial beim Energiesparen nicht erkennt, lässt richtig Geld liegen.“

Ein grünes Stadion im hohen Norden - bei den Betreibern von Sportstätten stößt das HSV-Projekt auf Interesse. Diese Woche beginnt Imtech mit der Modernisierung der Mercedes-Benz Arena des VfB Stuttgart, bei weiteren großen Stadien stehen die Verhandlungen vor dem Abschluss.

Solarmodule auf dem Stadiondach. „Das Thema steht bei Vereinen und Kommunen ganz oben auf der Liste“, sagt Joachim Thomas, Vorsitzender der Vereinigung deutscher Stadionbetreiber. Ein Vorzeigeprojekt ist die neue Coface Arena in Mainz: Hier ist etwa Wärmerückgewinnung von Anfang an Teil der Planung, auf dem Stadiondach stehen 11000 Solarmodule. Ein Vorreiter in Sachen Energieeffizienz ist der FC Augsburg, der seine SGL Arena bereits 2007 umbauen ließ.

Dass sich Investitionen in ältere Stadien so rasch amortisieren zeigt auch, dass Energieeffizienz lange keine große Rolle spielte. „Im WM-Jahr 2006 hatte Deutschland zwar die funktionalsten, aber nicht die effizientesten Arenen der Welt“, sagt Natalie Eßig, Leiterin der Arbeitsgruppe Sportstättenbau bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). „Beim Bau standen die Themen Umwelt und Energie nicht im Mittelpunkt. Viel wichtiger war es etwa, die Stadien rechtzeitig fertigzustellen.“

Dabei gab es schon Vorbilder: Die Olympischen Spiele 2000 in Sydney hatten Maßstäbe gesetzt. Solardächer lieferten Strom, Energiesparlampen waren Standard und Wassertanks speicherten Regen. „Wer ein Stadion nachhaltig betreiben will, muss mehr tun als einen Ökostromanbieter wählen", sagt Eßig. "Dazu zählen umweltfreundliche Baumaterialien, wassersparende Armaturen, der Verzicht auf beheizte Außensitze und eine nachhaltige Abfallbewirtschaftung.“

Weil Standards fehlen, lässt sich eine aussagekräftige Ökobilanz von Stadien bislang nicht ermitteln. Die DGNB will Abhilfe schaffen und arbeitet an einem Siegel für nachhaltige Sportstätten. Auch Verbände helfen weiter. Der Landessportbund Hessen berät Klubs und Kommunen beim Betrieb ihrer Sportstätten in Energie- und Umweltfragen. Für die Finanzierung von Umbauten bietet das Land Fördermittel.

Der Versorger Mainova hat auch für die Fans ein Angebot. In der Tiefgarage der Commerzbank-Arena von Zweitligist Eintracht Frankfurt hat er zwei Tankstellen für Elektroautos eingerichtet. Besucher können hier ihre Autobatterie mit Ökostrom aufladen. Für Mainova ist die Aktion auch Werbung für die jüngst verlängerte Partnerschaft mit der Eintracht. Seit Juli versorgt das Unternehmen die Arena mit Strom, Gas und Wasser - nach eigenen Angaben komplett CO2-neutral.



Quelle: Handelsblatt von Donnerstag, 06.Oktober 2011; Seite 52

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Sängerknaben in Kurvenlage #4: Ohio University

Der Beitrag wäre eventuell etwas für die Halbzeitunterhaltung bei Red Bull Salzburg. Trotzdem top.

(Team)chefsache

Die Roulette blieb gestern Mittag, eigentlich eh schon vorgestern, stehen. Und die Kugel fiel auf Marcel Koller. Im Casino würde das etwa der Null entsprechen. Niemand rechnet damit, die Wahrscheinlichkeit ist aber genau dieselbe wie bei jeder anderen Zahl, oder eben Trainerkandidaten. Okay, es gab schon Favoriten und Außenseiter auf den Posten, der Schweizer Koller, zählte eher zu zweiteren. Wenn überhaupt. Und irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass der Boulevard, im Speziellen der kleinformatige, schon jetzt negative Zeilen über den Außenseiter schreibt, nur weil dieser durch den für Österreichische Teamchefs ungewohnten Lebenslauf - Josef Hickersbergers Tausend und eine Nacht mal außen vor gelassen - irritiert ist, ähnlich wie das Grün der Null beim Roulette für Irritation sorgen soll, um bei der selben Metapher zu bleiben. Das Koller diese Null nicht sein wird, bleibt auch mir natürlich nur zu hoffen, dem Anschein nach, so vermittelt die Journaille, startet Koller aber mit einem 0:2-Rückstand.

Dabei wird natürlich einmal mehr dem Herzerl nachgetrauert, der bereits zum dritten Mal übergangen wurde. Wohl mangels Erfahrung. Zu Recht. Auch die populistischste Lösung, einfach den Meistertrainer Franco Foda zu installieren, ging in die Hose. Der hatte wohl keinen Bock seinen Stab nicht selbstständig aussuchen zu dürfen. Auch verständlich. Kurt Jara? Kollers zweijährige Arbeitslosigkeit wird bekrittelt. Über Jaras fünfjähriges Intermezzo hinweggesehen. Paul Gludovatz wäre im österreichischen Pool noch die annehmbarste Wahl gewesen. Als Fan der Öfb-Riege zählt der Burgendländer aber nicht unbedingt. Weitere nationale Kandidaten wären die 96er-Helden von Rapid gewesen: Schöttel, Stöger, Kühbauer. Nicht minder erfahren als Herzog, mangels Lobby aber wohl keine ernst zunehmenden Alternativen. International gesehen, wäre Lars Lagerbäck kein schlechter Griff gewesen. Besonders als Teamchef hätte er massig Erfahrung mitgebracht. Zehn Jahre Schweden, mit Nigeria eine Weltmeisterschaft. Von seiner eigenen Fadesse überzeugt, wäre der Schwede mangels Constantinischem Schmähs aber kein Toller für unseren Boulevard. Christoph Daum als Fachmann sicherlich anerkannt, hatte in den letzten Jahren in Köln, Istanbul und Frankfurt zwar auch nur mäßigen Erfolg, wäre für den österreichischen Fußball aber sicherlich kein Schritt in die falsche Richtung gewesen. Mit Otto Rehagel wäre eventuell der Europameistertitel drin. Im Nachwuchs müsste aber zuerst wieder das Liberospiel gelehrt und Bürschchen unter ein Meter neunzig aussortiert, Wien darf ja nicht Barcelona werden. Marco Pezzaiuolis Namen wurde anfangs wenige Male genannt. Der Konzepttrainer war Windtner und Co. wohl doch zu heiß, weil zu unverbraucht. Und als in Deutschland der Name Matthias Sammer mit dem Öfb in Verbindung gebracht wurde, sorgte dies nur für müde Schmunzler. Die zuletzt spekulierten und üblichen Kandidaten wären dann auch schon genannt. Vielleicht noch Huub Stevens, um den es aber auch schon zu spät war. Loddar Matthäus hätte den Job garantiert gemacht. Manfred Zsak bestimmt. Andi Ogris eventuell. Heli Kraft war bis vor kurzem auch noch frei. Den boulevardschen Vorwürfen zum Trotz müssten dies alles idealere Trainer als Koller sein. Weil Koller ja eben bei Null anfängt. Nett, dass solch eine Besorgnis gezeigt wird, ob der Neo-Teamchef in unserer spielerisch hochwertigen, strukturstarken Fußballlandschaft den Durchblick bis zum Start der WM-Qualifikation in einem Jahr finden wird. Doch schon jetzt wird ihm die Sicht mangels ausreichender Haberie verdeckt.

Österreichs Eurovision lebt!

Trio im Euro-Fieber: Austria, Sturm & Salzburg

GLORY DAY. Die ÖFB-Klubs erobern einen fünften EC-Startplatz und mischen beim Thriller um einen CL-Fixplatz 2014 voll mit.

So ein Tag, so wunderschön wie heute!" durften Österreichs Fußballfans am Donnerstag singen. Es war ein „Glory Day“ für den österreichischen Fußball, der so schnell auch nicht vergehen dürfte. Satte 1,5 Punkte brachten die jüngsten Europa-League-Siege von Sturm, Austria und Salzburg für die 5-Jahres-Wertung.

Zweiter CL-Quali-Platz. Was die SportWoche bereits in der Coverstory in Heft 34 ankündigte, steht nun so gut wie fest. Österreich darf ab 2013 mit einem fünften Verein im Europacup und einem zweiten Klub in der Champions-League-Quali antreten. Denn: Österreich wird diese Saison in der 5-Jahres-Wertung in den Top-15 abschließen. Realistisch gesehen könnte nur Zypern dieses Szenario verhindern. Dafür müsste Apoel Nikosia aber zumindest ins Champions-League-Viertelfinale vorstoßen und die ÖFB-Klubs gleichzeitig praktisch alle übrigen Spiele verlieren.

CL-Fixplatz 2014? Ebenso wenig wahrscheinlich ist allerdings, dass Österreich schon für 2013 einen Fixplatz in der Champions-League erobert. Dafür müssten die rot-weißroten Eurofighter in der 5-Jahres-Wertung in die Top-13 vordringen, die Schweiz weiter hinter sich lassen und Dänemark überholen. Auf die Dänen fehlen uns derzeit 2,850 Zähler. Aufholbar ist dieser Polster heuer nur, wenn Kopenhagen und Odense das Europa-League-Achtelfinale verpassen und gleichzeitig zumindest zwei ÖFB-Klubs die Gruppenphase überstehen. Dafür ist Österreich im Rennen um einen CL-Fixplatz 2014 voll dabei.

Ein Thriller um die Plätze. Die Ausgangsposition könnte spannender nicht sein. Nächstes Jahr fallen in der 5-Jahres-Wertung die Punkte von 2007/08 heraus. Damit schließt Österreich (hat in dieser Saison kaum Punkte zu verteidigen) automatisch auf die schärfsten Rivalen um einen CL-Fixplatz auf. Türkei, Griechenland, Belgien, Dänemark und die Schweiz gilt es heuer und 2012/13 im Europacup abzuhängen bzw. zumindest mit diesen Nationen mitzuhalten. Gefährlich könnte langfristig auch noch Israel werden, die mit Maccabi Haifa, Hapoel Tel Aviv und Maccabi Tel Aviv in der Europa League vertreten sind und (ähnlich wie Österreich) kaum Punkte aus der Saison 2007/08 (2,375) zu verteidigen haben. Im direkten Vergleich mit unseren härtesten Gegnern um einen Top-13-Platz schneiden wir bisher hervorragend ab.

Belgischer Traumstart. Von den CL-Fixplatz-Kandidaten 2014 haben heuer nur die Belgier noch mehr Punkte als Österreich für die 5-Jahres-Wertung erobert. Alle belgischen Europa-League-Starter (Anderlecht, Lüttich und Brügge) führen ihre Europa-League-Gruppe an. Mit dieser Top-Performance hat Belgien seinen CL-Fixplatz für 2013 abgesichert und Österreich vorerst auf Distanz gehalten. Weggebrochen sind hingegen die Dänen, die im Rennen um einen CL-Fixplatz 2014 weitere 1,975 Zähler (durch die herausfallenden Punkte 2007/08) auf Österreich verlieren und netto nur noch einen Punkt vor den ÖFB-Klubs liegen. Die vom Wettskandal gebeutelte Türkei kann nur mit einem Lauf von Trabzonspor in der Champions League einen Absturz im Ranking verhindern. Auch die Griechen kämpfen mit einem Tief.



Quelle: SportWoche von Dienstag, 04. Oktober 2011; Seite 14

Fernsehen ohne Grenzen

Von Hans-Jürgen Jakobs

Immer diese Griechen. Bislang hatte die Regierung in Athen europäische Verwirrung ausgelöst, mit ihren nicht gehaltenen Versprechungen in Sachen Staatshaushalt. Nun macht ein griechischer Pay-TV-Anbieter namens Nova in Europa von sich reden, weil er für kleines Geld die Senderechte an der großen englischen Fußballliga gekauft hat. Die Decoderkarte dieser Firma kann auch in Großbritannien eingesetzt werden, wo der Fußballverband die dort kostbaren Rechte natürlich für wesentlich mehr Geld an das britische Fernsehen verkauft.

Aus diesem Umstand zog Karen Murphy einen Nutzen. Die Dame aus Portsmouth dürfte die derzeit bekannteste Gastwirtin des Landes sein, weil sie recht bekam vor dem Europäischen Gerichtshof und weiter mit Hilfe der billigen griechische Decoderkarte den teuren englischen Fußball ansehen darf - in Großbritannien. Sie spart so fast 4700 Euro im Jahr an Gebühren, die der Londoner Pay-TV-Betrieb BSkyB gerne kassiert hätte. Er hat vom Verband ein Exklusivrecht für Großbritannien bekommen.

Solche nationalen Privilegien gibt es aber in einem Binnenmarkt nicht, der vom freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen ausgeht. Es gibt eben nicht nur eine gemeinsame Währung, es gibt auch eine gemeinsame Wettbewerbsphilosophie. Auch Pay-TV-Zuschauer müssen demnach die Chance haben, das billigste Angebot konsumieren zu können. Auswahl ist die Würze der Marktwirtschaft. Das müsste dann im Übrigen auch für die Spielfilme und TV-Programme der großen Hollywood-Studios gelten, die in Europa zu ganz unterschiedlichen Preisen verkauft werden.

Das europaweite Monopolwesen bei Fußball und Fernsehen, einem der hochattraktiven Produkte der Unterhaltungswirtschaft, verstößt erkennbar gegen die Logik des Binnenmarkts. Es stimmt ja: Wenn jeder in der Europäischen Union sich ein Auto oder eine Tablettenschachtel aus dem Ausland besorgen kann, ist es schwer einzusehen, warum dies nicht auch bei Bezahlfernsehprogrammen gelten soll. Europa kann nicht in abgeschottete Einzelmärkte aufgeteilt werden. Die "ganz gefährlichen Zeiten", die jetzt angeblich auf den europäischen Fußball zukommen, wie FC-Bayern-München-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vermutet, werden wohl auch nicht anbrechen.

Es bleibt ja dabei, dass auf wichtigen TV-Märkten die Fußball-Verbände zentral für die Klubs die wertvollen Rechte vermarkten und dabei in einem Bieterwettstreit die interessierten Sender hochjagen. In diesem exklusiven Kreis ist es ganz einfach, mit den Folgerungen aus dem Europa-Urteil zum Pay-Fernsehen fertig zu werden: Man muss nur die Bedingungen ein wenig ändern, beispielsweise, indem man hohe Mindestpreise vorschreibt oder gleich paneuropäische Rechte für den Kontinent vergibt. Wenn Frau Murphy in ihrer Kneipe "Red White & Blue" dann also weiter mit der griechischen Firma Nova im Geschäft bleiben würde, müsste die den gleichen Preis wie bei BSkyB zahlen, was natürlich keinen Sinn macht. Da kann sie auch wieder den englischen Anbieter wählen, dem sie einst gekündigt hat.

In Wahrheit ist, wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs später vom High Court in London bestätigt wird, nur das Auslandsgeschäft eines Fußball-Verbands beeinträchtigt. Denn warum sollten die griechischen Sportbegeisterten so viel Geld für die Premier League ausgeben wollen wie die Fans in England?

In Deutschland geht es um rund 30 Millionen Euro. Das ist die Summe, die von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) jährlich für die Klubs im europäischen Ausland erwirtschaftet wird. Sie dürfte kräftig sinken. Das ist wirtschaftlich eine Einbuße, die Fußball-Landschaft würde bei einem DFL-Gesamtumsatz von 400 Millionen Euro aber nicht verändert. Die Auswirkungen sind, Stand heute, nicht zu vergleichen mit jenen des berühmten Bosman-Urteils von 1995: Es legte fest, dass Profifußballer nach Vertragsende ablösefrei zu einem anderen Klub wechseln dürfen, und Restriktionen für ausländische Kicker in den jeweiligen nationalen Ligen verboten sind. Auch hier hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, und zwar im Fall des belgischen Fußballers Jean-Marc Bosman.

Für die Fußball-Fernsehbranche gilt jetzt also nicht Murphys Gesetz ("alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen"). Wer sich vom Sieg der Pub-Besitzerin Karen Murphy verspricht, dass künftig die Abonnentenpreise einbrechen, weil es zu einem lebhaften Wettbewerb kommt, der wird enttäuscht werden. Die Preise würden nur sinken, wenn viele Sender um die Rechte vieler Klubs rangelten, also das System der Zentralvermarktung ins Wanken gebracht würde. Das ist aber nicht zu sehen.

Zunächst werden nur die Rechte-Inhaber viel Arbeit bekommen, viele Anwälte werden sich über Extraerlöse freuen dürfen. Das Urteil ist eine Überraschung, eine Revolution löst es nicht aus. Von daher gesehen ist die Aktie des deutschen Pay-TV-Anbieters Sky am Dienstag zu früh abgestraft worden: Sie büßte zwischenzeitlich um bis zu zehn Prozent ein.



Quelle: Süddeutsche Zeitung von Mittwoch, 05. Oktober 2011; Seite 4

Sonntag, 2. Oktober 2011

Fußball im Fernsehen könnte für die Fans billiger werden

Generalanwältin am EuGH hält die Verkaufspraxis der Fernsehrechte für Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit

theu. LONDON, 30. September. Eine Kneipenwirtin aus dem englischen Portsmouth könnte zum Schrecken des europäischen Profifußballs werden. Karen Murphy wollte in ihrem Pub "Red White and Blue" die Spiele der englischen Premier League zeigen. Aber die streitbare Gastwirtin sah nicht ein, dem britischen Bezahlsender BSkyB für die entsprechende Lizenz rund 10 000 Pfund im Jahr zu überweisen. Deshalb besorgte sich Murphy einen Satelliten-Decoder des griechischen Abonnementsenders Nova, der die Premier League ebenfalls zeigte, aber nur einen Bruchteil der Sky-Gebühren verlangte - und der Ärger begann. Nach jahrelangem Rechtsstreit will am Dienstag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg sein Urteil in dem Präzedenzfall verkünden. Es könnte im Milliardengeschäft des europäischen Fußballs ein Erdbeben auslösen.

Wenn Karen Murphy recht bekomme, stünden dem Profifußball "gefährliche Zeiten" bevor, warnt Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des deutschen Rekordmeisters FC Bayern München, und prophezeit ein ruinöses "Preis-Dumping" im Verkauf von Fernsehübertragungsrechten. Der Präsident des europäischen Fußballverbands Uefa, Michel Platini, fürchtet, dass das Urteil "die ganze Fußball-Landschaft verändern" könnte. Die Gastwirtin Murphy interessiert das allerdings wenig: "Wenn ich ein Auto kaufen will, kann ich zu jedem Händler in jedem Land gehen. Wenn ich Fußball sehen will, kann ich nur zum Sky-Händler gehen und muss dort zehnmal mehr zahlen."

Das Urteil des höchsten europäischen Gerichts wird mit Spannung erwartet und die Vorzeichen sind für die Fußballbranche nicht günstig. Die zuständige Generalanwältin Juliane Kokott hat sich im Februar in ihrem Schlussantrag auf die Seite der Gastwirtin gestellt und die Luxemburger Richter folgen in der Mehrheit der Fälle dieser Empfehlung. Aus Sicht der deutschen Juristin Kokott verstößt die Premier League gegen die Dienstleistungsfreiheit in der EU, wenn sie die Pub-Wirtin daran hindern will, die Fußball-Übertragungen vom Anbieter ihrer Wahl zu beziehen. Der Fußballverband versuche damit, den europäischen Binnenmarkt zu unterlaufen. Die Premier League selbst pocht dagegen auf ihren Urheberrechtsschutz: Der griechische Bezahlsender verstoße gegen vertragliche Vereinbarungen, wenn er auch Abonnenten in England bediene.

Für Fußballvereine und Fans geht es um viel Geld. Wenn die Premier League tatsächlich unterliegen sollte, dürften die Abonnementpreise im europäischen Bezahlfernsehen auf breiter Front purzeln. Denn bisher können die Fußball-Ligen durch den Verkauf von exklusiven Übertragungsrechten in den einzelnen Ländern Monopole schaffen. In Zukunft könnten die Richter dagegen einen europaweiten Wettbewerb erzwingen. Bundesliga-Fans können dann möglicherweise Bezahlfernseh-Abonnements nicht nur beim deutschen Sky-Ableger, sondern auch bei ausländischen Anbietern abschließen, die internationale Übertragungen via Satellit oder Internet anbieten. Mehr Konkurrenz aber lässt auf niedrigere Preise hoffen.

Was die Fans freut, ist für die Vereine ein finanzieller Albtraum. "Die Preise für Übertragungsrechte würden massiv unter Druck geraten", heißt es in Branchenkreisen. Damit würde eine der wichtigsten Ertragssäulen des Profifußballs wegbröckeln: In Deutschland machen die Fernseherlöse knapp ein Drittel der Gesamteinnahmen der Clubs aus. In Großbritannien, Frankreich und Italien sogar mehr als die Hälfte.

In der Zentrale der Deutschen Fußball Liga hieß es am Freitag zu dem brisanten Rechtsstreit nur: "kein Kommentar". Auch Sky hält sich kurz vor der Urteilsverkündung bedeckt. "Aus jeder möglichen Veränderung ergeben sich neben Risiken auch Chancen", sagte ein Unternehmenssprecher lediglich. Der Bezahlsender könnte wohl niedrigere Einkaufspreise für die Übertragungsrechte einfordern, wenn deren Exklusivität durch Konkurrenten geschmälert würde.

In der Bundesliga hält man es inzwischen für einen Fehler, dass die Premier League die Kneipenwirtin Murphy vor Gericht gezerrt hat. "Damit haben die möglicherweise ein Eigentor geschossen", sagt ein Beteiligter. Aber damit nicht genug: Auch andere Branchen dürften das Grundsatzurteil aus Luxemburg mit Spannung erwarten. Wenn die EU-Bürger in Zukunft beim Fernseh-Fußball europaweite Wahlfreiheit bekommen sollten, muss das dann nicht zum Beispiel auch für den Online-Vertrieb von Hollywood-Filmen und Musikalben gelten?



Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung von Samstag 01. Oktober 2011; Seite 12