Montag, 20. Juni 2011

Booze it like Gascoigne

Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Heute noch mehr als früher. Du schießt ein paar Tore und kannst ganz groß rauskommen. Hast bisschen Glück bei deinem neuen Verein und sahnst ein paar tausend Euro die Woche ab. Du tauschst deinen Polo gegen einen Ferrari und deine Mietwohnung gegen eine fette Villa mit Pool. Plötzlich gelingt dir in einer wichtigen Begegnung ein wichtiges Tor. Das wichtige Tor. Der längstüberfällige Wechsel ins Ausland winkt, wenn du nicht eh ein Italiener, Spanier oder Engländer bist. Plötzlich findest du dich auf Partys wieder, wo genau jene blonden Haserln herumspringen, auf die du dir zwei Jahre zuvor noch einen von der Palme gewedelt hast. Und natürlich vögelst du die eine oder andere auch, immerhin sind die ja wegen dir da. Du bist der Star! Deine Jugendliebe ist nicht weiter wichtig, immerhin hat die ja kein D-Titten. Und du bist jetzt sowieso jedes Wochenende auf irgendeiner Nuttenparty mit deinen Kollegen. Irgendwann zwischendurch kickst du wieder mal, sofern du keine „Leistenzerrung“ hast. Samstagabend fließt der Alkohol in Strömen und der hohle Sex gibt dir bald nicht mehr das, was er dir mit zweiundzwanzig bedeutet hat. Oder du kannst auch einfach nicht mehr, weil du viel zu besoffen bist. Du ziehst eine Line und fühlst dich wie Gott. Machst es gleich mit vier Tussis gleichzeitig. Der Fall hat aber längst begonnen. Und wie es im französischen Film „La Haine“ von Mathieu Kassovitz so schön heißt:„Was zählt ist nicht der Fall, sondern der Aufprall“.

Einer der sein Leben in vollen Zügen genoss war und ist ohne Zweifel Diego Armando Maradona. Nachdem Maradona eine eindrucksvolle 86er-WM spielte („Hand Gottes“ und DAS Solo) und den Titel zum zweiten Mal nach Argentinien holte, lag ihm Napoli zu Füßen. In Wahrheit taten die Napoletani das natürlich schon bei seiner Ankunft 1984 als zu seiner Präsentation 75.000 Leute ins San Paolo pilgerten. Mit dem Double 1987 wurde Maradona endgültig unsterblich. Seine Kokainabhängigkeit war seit 1983 ein offenes Geheimnis, 1991 wurde er dennoch für fünfzehn Monate gesperrt. Nach seiner Karriere war Maradona noch bis 2004 kokainabhängig. Nach mehreren Entziehungskuren und erlittener Herzschäden, sorgte er noch einmal im Jahr 2007 für Aufsehen als er wegen exzessivem Alkoholkonsum und psychischer Probleme in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Seit dem dürfte El Dios aber trocken und clean sein. Noch heute kann man ihn Zigarre paffend in der Loge der Bombonera beobachten.

Pele good, Maradona better, George Best. Der erste richtige Playboy im Fußball war wohl ohne Zweifel George Best. Ein Popidol erster Güte, der „Fünfte Beatle“. Der extravagante Lebensstil brachte aber nicht nur den Sportler Best zur Strecke, sondern später auch den Menschen. „I spent a lot of money on booze, birds and fast cars - the rest I just squandered.“ Mit Fortdauer seines Ruhmes verblasste auch sein Spiel. Seine Spielsucht und der anhaltende Alkoholkonsum gingen so weit, dass Best oft alkoholisiert beim Training erschien. Schließlich endete seine Zeit bei Manchester United 1974 mit dem Abstieg. Im Alter von 29 Jahren fand sich Best in der vierten Liga wieder und später bei diversen Stationen in den USA, Australien und im englischen Unterhaus. Sein Alkoholmissbrauch zog sich in unzähligen Kapiteln weiter durch sein Leben, wie ein roter Faden. 1990 trat Best sogar angetrunken in einer Talkshow auf, weswegen er sich im Nachhinein entschuldigte und dies als eines seiner dunkelsten Kapitel bezeichnete. Am 25. November 2005 verstarb George Best, einer der größten Fußballer der Geschichte, als Folge seiner jahrelangen Alkoholabhängigkeit an Multiorganversagen.

Die Drogen- und Alkoholprobleme eines anderen umfassen auf Wikipedia fasst so viel wie seine ganze aktive Karriere. Die Geschichte von Paul Gascoigne, kurz Gazza, ist eine weitere traurige. Schon seit der Kindheit ein völlig durchgeknallter Typ, immer wieder gut für den einen oder anderen - auch derben - Scherz. Der intelligenteste war er wohl nie. Sein Lebensstil ähnelte sehr jenem von George Best. Hohe Meinungen hatten die beiden von einander aber keine. Best:„ Ich sagte Gazza, dass sein IQ niedriger sei als seine Trikotnummer. Da fragte er mich, was denn ein IQ sei.“ Gascoignes Herz schlug aber stets für das runde Leder. Nach dem Karriereende ging sein Leben völlig den Bach runter. Dabei sagte Gazza selbst, dass ihm der Rücktritt sein Herz aus der Brust riss. Alkohol- und Kokainmissbrauch standen jahrelang an der Tagesordnung. Später gab er selbst zu zwischenzeitlich vier Flaschen Whiskey, dreißig Dosen Bier oder fünfzig Dosen Red Bull täglich konsumiert zu haben. Mehrmaliges Autofahren unter Alkoholeinfluss und unzählige Krankenhausaufenthalte und Entziehungskuren. Depressionen und Selbstmordgedanken prägten die Zeit nach seiner aktiven Karriere. Dabei sprang Gazza dem Tod nicht nur einmal von der Schippe. 2007 retteten ihm die Ärzte wegen eines akuten Magengeschwürs nur in einer Notoperation das Leben; 2008 musste er während einer Entziehungskur dreimal wiederbelebt werden. Im November 2010 begann Gazza seinen bereits zwölften Entzug.

Das besonders in England verhäuft Alkoholmissbrauch unter Fußballern auftritt, hat wohl eher mit der Wahrnehmung zu tun, da im restlichen Europa eine professionellere Einstellung herrschte. Auf Grund der zunehmenden Kommerzialisierung können es sich Spieler wie auch Klubs aber kaum mehr erlauben, solch ein Verhalten zu dulden. Einer der mit gutem Beispiel voran ging, war Tony Adams. Arsenals Captain hatte seit jeher einen latenten Bezug zum Alkohol. Als einer der ersten Spieler aber stand Adams öffentlich zu seiner Sucht und erntete für sein Outing viel Lob und Unterstützung. Schließlich half ihm auch Trainer Arsène Wenger dabei trocken zu werden, indem der Franzose eben professioneller Strukturen, allen voran was die Ernährungsgewohnheiten seiner Akteure anbelangt, in den Verein brachte. Im Jahre 2000, noch während seiner aktiven Karriere, rief Adams die „Sporting Chance Clinic“ ins Leben, eine Vereinigung die Sportlern bei Drogen- und Glücksspielsucht hilft. Adams spielte noch bis 2002 weiter und wurde in neunzehn Jahren Arsenal viermal Meister, dreimal Cupsieger und einmal Europacupsieger. Als erster überhaupt konnte er in drei verschiedenen Jahrzehnten als Kapitän eines Klubs mindestens je einmal englischer Meister werden.

Womöglich ließe sich die Liste noch seitenlang fortführen. Der schottische Kicker Andy McLaren war in den Neunzigern drogen- und alkoholabhängig, so dass er als einzigen Ausweg einen Selbstmordversuch unternahm. Adrian Mutus Koks ziehen kostete ihm satte 17 Millionen Euro. Auch Mark Bosnich wurde wegen Kokainmissbrauch von Chelsea fristlos entlassen. Robbie Fowler sorgte 1999 mit einem ziemlich eindeutigen Torjubel für rumors. Und Christoph Daum hatte so viel Schnee am Schnauzer picken, dass selbst Uli Hoeneß im fernen München Bescheid von wusste.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen