Sonntag, 20. November 2011

Change? Yes, we can!

Im Gefrierschrank von Lemberg sollte Marcel Koller seine Premierenvorstellung als österreichischer Teamchef geben. Personelle Überraschungen sollte es dabei keine großartigen geben. Die Nominierungen von Willi Kavlak, Zlatko Januzovic und Sebastian Brödl sorgten für kurzzeitige Irritation, waren aber lediglich peinliche Faux-pas’ des Staatsfernsehens. Die Nominierung beider Torhüter der Wiener Austria, Heinz Lindner und Pascal Grünwald, stellte ein kurioses Novum der jüngeren Zeit dar. Und ausgerechnet der Düsseldorfer Reservist Robert Almer (zuvor ebenfalls am Verteilerkreis arbeitend) schnappte den beiden Veilchen dann doch das Einserleiberl vor der Nase weg. Neben Lindner hätten weiters die Austrianer Mader und Margreitter ihr Debüt im Nationaltrikot feiern können, wurden jedoch wie sämtliche Austrianer - sieben an der Zahl - nicht eingesetzt.

Die Startaufstellung zeigte bis auf das Debüt Almers keine großen Veränderungen zur Constantinischen Ära. An den Flügeln agierten Ivanschitz, links, und Harnik, rechts. Im defensiven Zentrum machten Baumgartlinger und Alaba die Räume eng, wobei sich der Legionär von Bayern München immer wieder in die Offensive einschaltete. Arnautovic agierte als Bindeglied zwischen Mittelfeld und der Solospitze Janko, konnte sich durch seine technischen Fertigkeiten jedoch nur selten in Szene setzen. Lediglich die Besetzung der Rechtsverteidigerposition durch Franz Schiemer sollte sich im Spielverlauf als wenig vorteilhaft erweisen.

Die ersten Minuten zeigten allerdings, dass die taktischen Vorgaben eine Hundertachzig-Grad-Wendung zu Kollers Vorgänger bedeuteten. Prompt nach Anpfiff attackierte die österreichische Elf die Hausherren in deren eigener Hälfte und ließ während des gesamten ersten Durchganges so gut wie keinen ertragreichen Spielaufbau zu. Die Mannschaft von Oleg Blochin wurde so am eigenen Strafraum regelrecht eingeschnürt, was wiederum spätestens an der Mittellinie einen oftmaligen Ballverlust für die Ukrainer bedeutete. Neben dem knappen Raum, war für die ukrainischen Akteure auch die wenige Zeit zur Ballverarbeitung ein großes Problem, dass die Österreicher durch forsches Doppeln gegen den Ballführenden ebenfalls provozierten.

Im Ballbesitz war am augenscheinlichsten das linkslastige Offensivspiel der österreichischen Mannschaft. Ein Hauptgrund dafür war Franz Schiemer auf der rechten Seite, der nur für wenige Akzente im Angriffsspiel sorgte. Ganz im Gegensatz zum Schalker Christian Fuchs, der mittlerweile einen modernen Außenverteidiger mimt. Auf Grund des oftmals beackerten linken Flügels musste der Stuttgarter Harnik zudem oft ins Zentrum verschieben um dort für Überzahl zu sorgen. Was schließlich dem ukrainischen Offensivspiel zu Gute kam. Nur Tage zuvor bewiesen Blochins flinke Konterspieler auch gegen ein schwächelndes Deutschland mithalten zu können. Durch zügige Spielverlagerung hatten die ukrainischen Konterspezialisten, mit Ausnahme eines überfordert wirkenden Schiemers und eines zurückhechelnden Harniks, oftmals den gesamten, aus österreichischer Sicht, rechten Flügel für sich.

Von dieser Seite sollte schließlich auch das aus heiterem Himmel fallende Führungstor für die Gastgeber entstehen. Wobei Schiemer mit zwei Gegenspielern auf verlorenem Posten stand, weil die Deutschlandlegionäre Prödl, Harnik und Baumgartlinger viel zu spät gegen den Ball antizipierten. Zudem ließ sich Innenverteidiger Pogatetz vom späteren Torschützen Milevsky durch eine Körpertäuschung fintieren, sodass der Stürmer von Dynamo Kiew schließlich sträflich allein im Torraum zum Abschluss kommt.

Nach dem Gegentreffer blieb Österreich aber die tonangebende Mannschaft und spielte weiter wacker nach vorne. Die drückende Überlegenheit wurde aber nur selten in gefährliche Torchancen umgemünzt. Auffällig war, das Janko an der Strafraumgrenze und mit dem Rücken zum Tor mehrmals als Prellbock für seine Rückraumspieler Arnautovic, Alaba und Harnik fungierte.

Im zweiten Durchgang ließ die Offensivpower der österreichischen Mannschaft etwas nach, sodass sich die Ukrainer aus ihrer Umklammerung lösen konnten. Wohl auch, weil ein solch aggressives Forechecking, wie es die österreichische Elf praktizierte, extrem an den Kräften zehrt, nicht nur auf Grund einer höheren Laufleistung, sondern auch wegen der erhöhten Konzentration, welche das Spiel auf einem höheren taktischen Niveau fordert und für unsere Nationalmannschaft - noch - eine ungewohnte Spielweise darstellt. Dass Koller im Laufe des Spiels mit Veli Kavlak für Martin Harnik lediglich einen Spieler wechselte, begründete der Zürcher damit, dass er seine Spieler in unterschiedlichen Spielszenarien beobachten wollte.

Der zweite Gegentreffer, trotz Überzahl, lässt sich sicherlich auch auf die abfallende Konzentrationskurve zurückführen. Baumgartlingers Ballverlust im Spielaufbau darf so nicht passieren, zumal in der näheren Umgebung die österreichischen Spieler sogar Vier gegen drei in Überzahl sind. Dass in der Folge die defensive Grundordnung überhaupt nicht den vorgegebenen Schemata entspricht, ist eine logische Konsequenz. Dass Christian Fuchs auf seiner Position links hinten nicht mehr zu finden war, sondern sich bereits in das Angriffsspiel eingeschaltet hatte, spricht eigentlich sogar für den Schalker. Eben diese paar Meter haben ihm im entscheidenden Zweikampf gefehlt und den Ukrainern den Platz zur Torvorbereitung gegeben. Mit einer weiteren Körpertäuschung ließ diesmal Devic Pogatetz aussteigen, wobei auch erwähnt werden muss, dass der Angreifer in solchen Situationen den Vorteil des Momentums für sich genießt und solch Aktionen nur schwer zu verteidigen sind.

Unterm Strich war eine konkrete Leistungssteigerung im Vergleich zu den letzten Paarungen zu erkennen. Besonders das unkonventionelle Pressing imponierte sehr und war ein erfrischender Anblick, zumal es doch sehr ungewöhnlich ist, eine, ausgerechnet, österreichische Equipe eine solche Spielweise an den Tag legen zu sehen. Die Kaltschnäuzigkeit im Abschluss wurde Tags darauf in den heimischen Gazzetten bekrittelt. Ich denke allerdings, dass diese einkehren wird, wenn sich das Team auf Kollers taktische Vorgaben eingestellt und diese automatisiert hat. Lediglich im Abwehrverbund offenbarten sich nach wie vor gröbere Schwächen. Weniger beim Debütanten Almer, der bei seinem „Ersten Mal“ seinen Mann stand. Und auch weniger auf der linken Seite, wo Christian Fuchs beherzt nach vorne agierte, sich defensiv phasenweise nicht ganz makellos präsentierte, im Grunde jedoch den positivsten Eindruck erweckte. Sein Pendant auf der rechten Abwehrseite hat mit der Leistung vom vergangenen Dienstag keine Zukunft im A-Team. Massig Alternativen hat Koller jedoch nicht. Der Austrianer Klein wünscht sich zwar einen Auslandtransfer, hat auf internationalem Parkett aber eher schlechte Karten. Ekrem Dag kommt bei Besiktas auf zu geringe Einsatzzeiten als das er eine rechtfertigbare Wahl wäre. Bliebe eigentlich nur noch György Garics, der erst vor kurzem nach einer langen Verletzungspause in die Abwehr Bolognas zurückkehrte. Abwarten wie die weiteren Wochen bis zur nächsten Kaderbekanntgabe für den unter Constantini Ausgebooteten verlaufen. Und zentral? Da stellt das Duo Prödl-Pogatetz nicht gerade das trickreichste der Fußballgeschichte dar. Stehen jedoch mit dem Basler Dragovic und dem Austrianer Ortlechner zwei souveräne back-ups zur Verfügung. Und erst gestern warf Markus Berger, Kapitän bei Academica Coimbra, den FC Porto aus dem portugiesischen Cupbewerb. Vielleicht also eine weitere Alternative für Marcel Koller. Berger spielt übrigens bereits seine fünfte Saison gegen Sporting, Benfica und den FC Porto.

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