Donnerstag, 8. März 2012

Beira-Mar und die Parallelen zu Servette

Auch am Engagement Majid Pishyars in Portugal wachsen die Zweifel

Nach dem Super-League-Aufstieg Servettes 2011 übernahm Majid Pishyar auch in Portugal einen Klub. Er versprach vieles – aber die Misstöne häufen sich.

Georg Bucher, Aveiro

Am 23. Februar 2012 wurde Aveiro nostalgisch. Die zwischen Porto und Coimbra gelegene Stadt gedachte eines berühmten Sohns. Der Barde Zeca Alfonso war vor 25 Jahren gestorben, sein Chanson «Grândola morena» hatte 1974 die friedliche Revolution eingeleitet und begleitet. Aber mehr Aufsehen erregt ein Ausländer: Majid Pishyar, der am Donnerstag die Bilanz von Servette deponieren liess und vor acht Jahren schon den Konkurs von Admira Wacker Mödling zu verantworten hatte.

Seit Pishyar im Sommer 2011 die Macht im hochverschuldeten Fussballklub Beira-Mar übernommen hat, ist der Iraner in Aveiro in aller Munde. Wer die Fäden zwischen Beira-Mar und Pishyar knüpfte, wird nicht bestätigt, liegt aber nahe: der ehemalige Servette-Trainer João Alves, den Pisyhar im letzten Herbst entliess, obwohl der Coach im Team beliebt war. Alves wuchs in einem Dorf bei Aveiro auf, erlangte Bekanntheit als Fussballer von Benfica Lissabon und Paris Saint-Germain und ist international vernetzt. Über die Probleme Beira-Mars war Alves im Bild. Mehrfach war der Verein dem Konkurs entgangen, mit Geldspritzen hatte ihn Mano Nunes oft über Wasser gehalten. Nun zählt der Reeder und langjährige Chairman zur Gläubiger-Gemeinde.

Die vierte Kraft
Pishyar übernahm nicht die Präsidentschaft des polysportiven Klubs, sondern steuerte eine Million Euro zur Gründung der Kapitalgesellschaft (SAD) bei, die den Profibetrieb der Fussballer finanziert. Eine Million Euro entsprach 85 Prozent des Gesamtbetrags, also der klaren Mehrheit. Bei der Antrittsrede sagte Pishyar, bestehende Schulden würden bezahlt, aber nicht vollständig. Zudem gab er der Absicht Ausdruck, Beira-Mar unter die besten vier Teams des Landes zu führen, hinter die traditionsreichen Vereine Benfica Lissabon, Sporting Lissabon und Porto. Solche Worte erinnern an Pishyars grossspurige Ankündigung in Genf, Servette bis 2018 zum Gewinn der Champions League zu führen.

Seit Pishyars Antritt ist gut ein halbes Jahr vergangen und weniger Geld geflossen als erhofft. Der Präsident spielt auf Zeit, lässt sich selten in Aveiro blicken und vertröstet die Gläubiger. Immerhin wurden im Februar ausstehende Löhne und Prämien beglichen. Dennoch schwindet das Vertrauen; Misstöne zwischen der SAD und dem von städtischen Subventionen abhängigen Gesamtverein häufen sich.

Die Meinungsverschiedenheiten kulminierten, als die klubeigene Halle gepfändet wurde. Der Leiter der Fussball-Akademie im alten Stadion, Mario Duarte, bringt die Stimmung auf den Punkt: «Im letzten Sommer waren wir alle begeistert, ein Aufatmen ging durch die Stadt. Jetzt sieht es so aus, als würden die Felle davonschwimmen.» Klarheit bringt vielleicht die Generalversammlung vom 5. März, an der Pishyar erwartet wird. Laut dem Fachblatt «Record» verbreitet der neue Klubpräsident António Regala Zuversicht: «Pishyar hat mir gesagt, dass er sein Engagement in der SAD aufrechterhalte und dass der Konkurs von Servette keinen Einfluss auf die Geschäfte in Portugal habe. Es seien grundverschiedene Fälle. In Genf habe die Unterstützung der Stadt gefehlt, in Aveiro sei sie gegeben.»

Mit Verweis auf den Erfolg mit Servette im Frühling 2011 (Super-League-Aufstieg) strebte Pishyar mit Beira-Mar nicht nur nach der Rolle des Verfolgers von Benfica, Sporting und Porto, sondern kündigte auch den Bau eines «Fussball-Dorfs» und einer Geschäftszone um das neue Stadion ausserhalb der Stadt an. Diese Pläne liegen in der Schublade – und die vor der Europameisterschaft 2004 errichtete Arena gilt als Zankapfel. Pishyar will sie in Eigenregie führen, die Stadt als Eigentümerin legt sich quer. Hohe Unterhaltskosten verursacht das Stadion ohnehin. Viele sehen Parallelen zu Leiria, wo das EM-Stadion zum Verkauf ausgeschrieben ist. Auch in Aveiro war die Resonanz mit durchschnittlich 4000 Zuschauern in der Saison 2010/11 unbefriedigend.

Der Rettungsspezialist
Die von Pishyar erhoffte Verdoppelung der Zuschauerzahl liegt ausser Reichweite, denn Attraktionen fehlen. Gut in die Meisterschaft gestartet, befindet sich Beira-Mar im freien Fall. Letzten Sonntag hätte gegen Vitória de Setúbal die Wende gelingen sollen, doch das Team des Tabellenletzten legte drei Tore vor und verteidigte in Unterzahl den 3:2-Sieg. Danach demissionierte der Beira-Mar-Trainer, der frühere Nationalspieler Rui Bento. Ein Punkt trennt die Equipe von einem Abstiegsplatz; der neue Coach, Ulisses Morais, ist Rettungsspezialist und befreite schon fünf Klubs aus brenzliger Lage. Der Abstieg wäre verheerend. Laut Berechnungen der SAD muss Beira-Mar sieben Jahre die höchste Klasse halten, sonst scheitert das Konzept. Bei der Finanzierung des Budgets (3,2 Millionen Euro) sind TV-Übertragungsrechte der wichtigste Posten. Ein Silberstreif am Horizont ist die kürzlich geschlossene Partnerschaft mit einem Technologieunternehmen.

Etwas Luft verschaffte Beira-Mar der Wegzug von Rui Sampaio. Cagliari zahlte 600 000 Euro Ablöse für den Juniorennationalspieler. Wird der Finanzengpass nicht behoben, gäbe es die Möglichkeit, Zhang zu transferieren. Am Offensivspieler sind chinesische Klubs interessiert. «Klappt der Deal, sind wir bis Mai aus dem Schneider», meint ein Klubmitglied. Von Pishyar werden keine Wunder erwartet. Beira-Mar müsse sich selber aus der Klemme ziehen und gegebenenfalls ins alte Stadion zügeln. So wäre der 1922 gegründete Verein wieder näher bei der Basis und seiner eigenen Identität.



Quelle: Neue Zürcher Zeitung von Samstag, 03. März 2012; Seite 52

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