Donnerstag, 19. Mai 2011

Die Furcht vor dem Endspiel

Nachdem der FC Porto im heimischen Estadio do Dragao 5:1 gegen Spartak Moskau gewonnen hatte, war die Mannschaft aus der Hafenstadt wohl größter Favorit auf den Pokalsieg. Im Endspiel stand ihnen mit Ligakonkurrent Braga ein vermeidlicher Underdog gegenüber, aber kann man in einem Finale wirklich Favoriten- und Außenseiterrollen verteilen?

Fakt ist, dass Portos Weg nach Dublin weniger holprig verlief als jener des Finalneulings. Im Herbst spielte Braga noch in der Champions League, hatte gegenüber Partizan Belgrad die Nase klar vorne und konnte immerhin in der Europa League überwintern. Porto hingegen dominierte Gruppe L nach Belieben und ließ lediglich im Heimspiel gegen Besiktas zwei Punkte liegen - nachdem man aber bereits im Inönü 3:1 gewonnen hatte. Für Porto wurde es nur noch gegen den FC Sevilla eng. Sevilla - das von Finalgegner Braga in der Qualifikation zur Champions League besiegt wurde - bot einen heißen Tanz, die Mannen von Coach André Villas-Boas setzten sich auf Grund der Auswärtstorregel aber durch. In der Folge ging die Reise zweimal nach Moskau. Zuerst hatte ZSKA das Nachsehen (gesamt 3:1), anschließend wurde Martin Stranzels Ex-Klub Spartak Moskau vorgeführt. Allein der kolumbianischer Topstürmer Falcao markierte gegen die Moskowiter vier Treffer (H 5:1, A 5:2). Im Halbfinale ging die Falcao-Show weiter: Vier Tore im Hinspiel gegen Villareal bedeuteten faktisch den Finaleinzug. Dabei unterstrich der FC Porto eine weitere seiner Qualitäten: Die Gefährlichkeit im zweiten Durchgang. Auf dem gesamten Weg ins Finale nach Dublin netzte der FC Porto sechsunddreißig Mal; allein zwei Drittel der Treffer fielen in Halbzeit Zwei. Nur der FC Barcelona stellte vor elf Jahren eine gefährlichere Offensive (45 Tore).

Die Reise von Sporting Braga gestaltete sich nicht ganz so ansehnlich. Wie schon erwähnt, kam man über den „Umweg“ Champions League in den zweiten europäischen Cupbewerb, wo man sich gegen Lech Poznan und den FC Liverpool nur mit einem Treffer Differenz durchsetzen konnte. Im Viertel- und Halbfinale, gegen Dynamo Kiew und Benfica, reichte gar die Auswärtstorregel.

Vielleicht rührte die Favoritenrolle des FC Portos aber auch aus der Meisterschaft her. Nicht nur, dass Porto beide direkten Duelle gegen Braga für sich entscheiden konnte (H 3:2, A 2:0), gewann die Mannschaft aus der Stadt am Douro so was von überlegen die Meisterschaft, dass selbst das Wort „überlegen“ eine Untertreibung ist. Vierundachtzig von neunzig möglichen Punkten konnten eingeheimst werden, das sind dreiundneunzig Prozent des Punktemaximums. Lediglich dreimal wurde remisiert: am 7. Spieltag auswärts bei Vitoria Guimaraes 1:1, am 12. Spieltag auswärts bei Sporting Lissabon ebenfalls 1:1 und am 29. Spieltag - als die Meisterschaft bereits längst entschieden war - zuhause gegen Pacos de Ferreira 3:3, nach einer 3:1-Führung und in Überzahl. Der erste Verfolger, Benfica, wurde Zweiter mit einundzwanzig Punkten Rückstand. Braga hatte nach den dreißig Spieltagen achtunddreißig Zähler weniger und mehr als doppelt so viele Tore kassiert.

Dennoch muss sich Roland Linz in den vergangenen Tagen gekränkt haben, hatte er Braga vor zwei Jahren wegen finanzieller Aspekte doch Richtung Türkei verlassen. Gestern wäre er wohl ziemlich sicher zum Einsatz gekommen, offensiv blieben die Finalneulinge einiges schuldig. Dass Braga aber nicht als spielstarke Mannschaft zählt, war bereits vor Anpfiff bekannt. Wohl ein weiterer Grund für Portos Favoritenrolle. Custodio hatte nach vier Minuten eine Riesenchance, schloss aber per Direktabnahme zu hastig ab. In der Folge kam Porto besser in die Partie, Braga zog im Mittelfeld enge Kreise, sodass sich Joao Moutinho im Zentrum in Ballbesitz oft bis zu vier Gegenspielern gegenübersah. So blieb Porto nichts anderes übrig als über die Flanken gefährlich zu werden, wobei Varela auf links kaum Akzente setzen konnte; die meisten Vorstöße über die rechte Seite kamen, über Guarin oder Hulk. Hulk war es, der in der Anfangsphase zweimal, dreimal gefährlich in den Strafraum ziehen konnte, seine Flanken und Schüsse verfehlten aber stets das Ziel. Braga zeigte indes Anflüge ihres gefährlichen Konterspiels, welche aber zu selten klug vorgetragen wurden. Zwar spielte man großteils über Portos vermeidliche schwächere linke Seite, mit Außenverteidiger Alvaro Perreira, Lima im Sturmzentrum war aber stets abgemeldet. So war es nicht weiter verwunderlich, dass Porto wenige Sekunden vor dem Pausenpfiff, durch einen Ballverlust des Gegners in Führung ging. Guarin flankte aus dem Stand vom Halbfeld punktgenau in den Strafraum, wo erneut Falcao in die Lüfte stieg und gefühlvoll den Ball zur Führung in die linke Torecke köpfelte.

Hugo Viana, einst als großes Talent gepriesen und bereits beim FC Valencia unter Vertrag, wurde auch gestern seinen Ansprüchen als Spielmacher nur selten gerecht, weswegen er zur Pause von Marcio Mossoro ersetzt wurde. Genau jener Mossoro war es, der bereits nach vierzig Sekunden einen Fehler der Porto-Innenverteidigung nutze und mutterseelenallein auf Keeper Helton zu sprintete. Im Abschluss verließen den neuen Mann aber die Nerven, sodass er direkt den Schlussmann anvisierte. Von Mossoro sah man im zweiten Abschnitt nur noch eine Szene, in der er sich heftig beim spanischen Unparteiischen echauffierte und zu Recht Gelb sah. Es wirkte als hätte Mossoros verpasse Möglichkeit Braga das Genick gebrochen, die restlichen Offensivbemühungen verpufften in verunglückten Torschussversuchen oder Fehlpässen ins Aus. Da hätte es wohl auch nicht geholfen, wenn Herr Velasco Carballo in der 70. Minute Rechtsverteidiger Sapunaru vorzeitig zum Duschen geschickt hätte. Ganz im Gegenteil hatte Braga noch Glück; Savios Attacke von hinten an Hulk hätte nach einer halben Stunde nicht minder mit Rot geahndet werden können.

Es hätte der bis dato beste Fußball im Aviva Stadium werden sollen, Zyniker meinen, dass es in Eire ja sowieso nur Rugby und eventuell Hurling gibt. Unterm Strich war das Finale aber genauso bescheiden wie viele bescheidene Finals zuvor auch. Der Unterschied lag aber darin, dass die Teams nicht einfach taktiert haben, wie sonst üblich, sondern Braga qualitativ tatsächlich auf einem sehr bescheidenen Niveau agierte. Porto hat seine Taktik an den Gegner angepasst und nicht unnötig auf Risiko gespielt. Wieso hätte Porto auf die Entscheidung drängen sollen, wenn klar ersichtlich war, dass Braga nie in die Gefahr des Ausgleichs kommen würde? Wieso hätte Porto auf die Entscheidung drängen sollen und Braga unnötig Platz für ihre überfallsartigen Konterattacken geben sollen? Deswegen ließ Villas-Boas - aus taktischen Gründen - die Partie zu Recht dahinplätschern und sich zum jüngsten Trainer, der je einen Europacup gewinnen konnte, krönen.

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