Freitag, 29. Juni 2012

Zurück in die Zukunft

Die Squadra Azzurra läuft bei dieser Endrunde in überholt geglaubten 4-4-2- und 3-5-2-Systemen auf und bietet dem glorifizierten 4-2-3-1 Paroli. Mit einem fast schon altertümlichen 4-4-2 eliminierte die Elf von Cesare Prandelli gestern, Donnerstag, die deutsche Nationalmannschaft. Besonders die zwei Sturmspitzen, Cassano und Balotelli, machten der Abwehr unserer Nachbarn gehörig zu schaffen.

Das Innenverteidigerduo Bonucci-Barzagli hatte indes im Umgang mit dem statischen Gomez nur wenig Probleme. Auch weil dieser kaum mit Flanken gefüttert wurde. Durch den Einsatz von Kroos, rückte Özil auf den rechten Flügel, verlagerte seinen Aktionsraum aber dennoch oft in die Zentrale. Die in ihm gehegten Erwartungen konnte der Real-Madrid-Legionär, wie schon während der gesamten Endrunde, nicht erfüllen. So entstand rechts massig Raum, den der offensiv schwache Boateng selten füllte. Zudem agierte Pirlo, wie bei dieser Euro schon gewohnt, auf der Sechser-Position, entzog sich so der Bewachung der gegnerischen Mittelfeldabräumer Khedira und Schweinsteiger, sah sich stattdessen den defensiv harmloseren Özil und Kroos gegenüber, und schaffte sich Raum und Zeit zum Verteilen der Bälle.

So entstand auch das Führungstor der Italiener. Özil zwang Pirlo im Zweikampf zum Zurückweichen, setzte allerdings nicht weiter nach. Pirlo hatte nun in der eigenen Spielfeldhälfte Zeit für den genauen Pass auf Cassano. Hummels stellte sich im Zweikampf gegen selben alles andere als reif an, Badstuber verschätzte sich bei Cassanos Flankenball.



Das 2:0 fiel durch einen Konter nach einer deutschen Ecke. Montolivos langer Pass genau auf die Bratze von Balotelli war fein gespielt. Der taktisch entscheidende Faktor war allerdings der Laufweg von Cassano abseits des Geschehens. Mit seinem kurzen Sprint Montolivo entgegen, zog er nicht nur Boateng aus der Deckung, sondern zwang auch Lahm nachzurücken. So stand der deutsche Kapitän beim langen Ball von Montolivo völlig indisponiert und ließ für Balotelli die Lücke offen. Die fehlende Absprache in der deutschen Defensive auf Abseits zu spielen war ein weiterer Faktor.

Mit Thiago Motta und Diamanti brachte Prandelli zwei Spieler die ihre Rollen weit defensiver interpretierten als Montolivo und Cassano; mit di Natale kam schließlich eine gefährliche Waffe für den Konter. Da hätten die Azzurri, gegen nun hoch verteidigende Deutsche, alles klar machen müssen. Deutschland warf nun alles nach vorne, was blieb ihnen auch anderes übrig? Prandellis ragazzi formierten nun zwei Viererketten vor dem eigenen Strafraum, durch die es für die Deutschen aber kein Durchkommen gab.

Es wird nun interessant wie die Italiener im Finale gegen Spanien agieren werden. Paulo Bentos Selecao stand im anderen Halbfinale defensiv hervorragend. Der Hauptgrund lag wohl in der kompakten Anordnung. Vor der Viererabwehr rührten die defensiven Mittelfeldspieler Veloso, Moutinho und Meireles Beton an und ließen sich bei Angriff über die Flanken als zusätzliche Außenverteidiger zurückfallen. Ähnlich agierten die Franzosen im Viertelfinale als Laurent Blanc mit Debuchy, neben Reveillere, einen fast zusätzlichen Rechtsverteidiger nominierte. Portugals Taktik ging eine Stufe weiter, dieses Vorhaben auch auf das Zentrum und die linke Seite umzulegen. Sicherlich eine mögliche Variante, die mit De Rossi, Thiago Motta und Pirlo adaptierbar wäre. Oder eben das 3-5-2 aus der Gruppenphase, das ja bekanntlich auch nicht so schlecht funktionierte.

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