Donnerstag, 20. Oktober 2011

Stadionbau: Ein bisschen Spektakel ist erwünscht

Die Fußball-WM in Katar findet zwar erst 2022 statt - über die Stadien-Neubauten wird aber schon heute diskutiert. Zwei Architekten über Sinn und Zweck solcher Bauten.

Es gibt Fußballstadien, die schauen aus wie Fußballstadien. Und dann gibt es welche, die vor allem eines sind: spektakulär. Die Stadien, die für die WM 2022 in Katar gebaut werden, fallen in die zweite Kategorie. Entworfen wurden sie vom Frankfurter Architekturbüro Albert Speer. Doch wer braucht solche (sportlichen) Kunstwerke? Und wie viel Eitelkeit seitens der Architekten ist hier im Spiel? Antworten auf diese Fragen lieferten Andreas Hild von Hild und K Architekten in München und Axel Bienhaus vom Architekturbüro Albert Speer auf der Expo Real.

„Das Problem ist das Denken in Bildern“, sagt Hild, der diese „Spektakulär-Architektur“ kritisch sieht. „Was ein Gebäude können muss, das zählt nicht - sondern nur, wie es ausschaut.“ Er ist überzeugt: „Auf Spektakularität können wir verzichten.“ Bewährte Architektur kann durch solche Projekte nicht ersetzt werden. „Zwischendurch kann das mal sein, etwa um eine Vision zu formulieren“, sagt Hild.

Wie bewohnbar ist das?
Bienhaus sieht das ähnlich. „In erster Linie kommt es darauf an, welche Funktion ein Objekt erfüllen muss. Bei vielen Projekten frage ich mich aber: Was können die? Warum muss das Haus schwimmen? Wie bewohnbar ist das?“ Laut Hild muss zukunftsweisende Architektur in der Lage sein, Dinge am Standard zu lösen. „Bevor wir Städte in den Untergrund oder auf das Wasser legen, sollten wir die städtebaulichen Probleme von heute lösen.“

Doch der kritische Zeigefinger muss längst nicht bis nach Katar zeigen. Auch in Deutschland hat man sich an spektakulärer Sportarchitektur versucht - siehe Allianz Arena in München. „Da wollte sich Bayern München auch in der Architektur wiederfinden. So viel anders ist das in Katar nicht“, sagt Bienhaus. Kritik an den WM-Stätten in Katar musste er sich schon des Öfteren anhören - nachvollziehen kann er sie nicht. Themen wie Nachhaltigkeit und Kapazitätsauslastung nach der WM wurden immer in die Planung einbezogen. „Wir wollten nie eine Sportinfrastruktur schaffen, die dann ungenutzt in der Wüste steht.“ Die Standortauswahl ist demnach ein wesentlicher Aspekt bei der Nachhaltigkeit.

Große Chancen
„Schwimmende Stadien“ wie das von Architekt Michael Burt sind laut Bienhaus nur auf den ersten Blick eine Alternative zum Neubau. „Es geht um sehr viel mehr - um Infrastruktur, um Wohnungen. All das löse ich nicht, wenn ich ein Stadion auf einem Schlauchboot ranschleppe.“ Laut Bienhaus würden Städte dadurch eine große Chance vertun. In London wurden gleich mehrere einst schwierige Stadtteile im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2012 aufgewertet. Ohne hin sei der Stadionbau nur ein sehr kleiner Teil eines sportlichen Großprojekts.

Probleme mit der Nachnutzung gibt es nur, wenn Strukturen geschaffen werden, die nicht auf den lokalen Markt zugeschnitten sind. Deutschland habe das geschafft - in Südafrika ist das nicht gelungen. Bienhaus: „In Katar werden die Stadien an „Entwicklungs-Hotspots“ errichtet und sicher nicht in einer Sackgasse.“ Dennoch bestätigt er, dass Sportprojekte immer schwierige Immobilienprojekte sind. „In der Regel spielen sie nicht ein, was sie kosten. Das ist eine Investition in das Gemeinwesen, die sich nicht hundertprozentig rechnen muss.“



Info-Box: WM-Stadion um 2,2 Milliarden €

„Expect Amazing“ lautet der Slogan der Fußball-WM in Katar. Ein Blick auf die Stadienentwürfe zeigt: Hier wird nicht zu viel versprochen. Drei Stadien werden ausgebaut, neun neu errichtet. Entworfen wurden sie vom deutschen Architekturbüro Albert Speer & Partner. Die Planer versprechen: Wir werden die ersten CO 2-neutralen Stadien der Erde bauen.

Ein Großteil der benötigten Energie soll aus Solartechnik bezogen werden. Die Höchsttemperatur in den Stadien wird 27 Grad nicht überschreiten. „Wir hätten das Projekt nicht gemacht, wenn es nicht ein gescheites Konzept für die Klimatisierung oder auch ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept gegeben hätte“, sagt Axel Bienhaus, Architekt von AS & P (siehe Artikel oben).

Alle Stadien werden innerhalb einer Stunde erreichbar sein - die Wege werden demnach so kurz wie nie zuvor sein. Ein Metro-Netz mit einer Gesamtlänge von 320 Kilometern wird derzeit von der Deutschen Bahn AG geplant und 2021 fertig gestellt sein. Einige Stadien werden auch per Wassertaxi erreichbar sein. Schätzungen zufolge kosten die Stadien zwischen 2,2 und 3 Milliarden €.

Wasserstadion. Warum Sportstätten neu bauen, wenn sie ohnehin nach wenigen Wochen wieder leer stehen, dachte Architekt Michael Burt vom Technion Isreal Institute of Technology. Er hat ein schwimmendes Stadion in Leichtbauweise für bis zu 150.000 Zuschauer entworfen, das auf dem Seeweg zu den Austragungsorten gebracht werden kann. Für die Verbindung zum Land sollen Piers und Pontonbrücken sorgen. Unklar ist freilich, wer das „wieder verwertbare“ Stadion finanziert und zwischen den Events in Schuss hält.



Quelle: Wirtschaftsblatt von Freitag, 14. Oktober 2011; Seite 13

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