Mittwoch, 5. Oktober 2011

(Team)chefsache

Die Roulette blieb gestern Mittag, eigentlich eh schon vorgestern, stehen. Und die Kugel fiel auf Marcel Koller. Im Casino würde das etwa der Null entsprechen. Niemand rechnet damit, die Wahrscheinlichkeit ist aber genau dieselbe wie bei jeder anderen Zahl, oder eben Trainerkandidaten. Okay, es gab schon Favoriten und Außenseiter auf den Posten, der Schweizer Koller, zählte eher zu zweiteren. Wenn überhaupt. Und irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass der Boulevard, im Speziellen der kleinformatige, schon jetzt negative Zeilen über den Außenseiter schreibt, nur weil dieser durch den für Österreichische Teamchefs ungewohnten Lebenslauf - Josef Hickersbergers Tausend und eine Nacht mal außen vor gelassen - irritiert ist, ähnlich wie das Grün der Null beim Roulette für Irritation sorgen soll, um bei der selben Metapher zu bleiben. Das Koller diese Null nicht sein wird, bleibt auch mir natürlich nur zu hoffen, dem Anschein nach, so vermittelt die Journaille, startet Koller aber mit einem 0:2-Rückstand.

Dabei wird natürlich einmal mehr dem Herzerl nachgetrauert, der bereits zum dritten Mal übergangen wurde. Wohl mangels Erfahrung. Zu Recht. Auch die populistischste Lösung, einfach den Meistertrainer Franco Foda zu installieren, ging in die Hose. Der hatte wohl keinen Bock seinen Stab nicht selbstständig aussuchen zu dürfen. Auch verständlich. Kurt Jara? Kollers zweijährige Arbeitslosigkeit wird bekrittelt. Über Jaras fünfjähriges Intermezzo hinweggesehen. Paul Gludovatz wäre im österreichischen Pool noch die annehmbarste Wahl gewesen. Als Fan der Öfb-Riege zählt der Burgendländer aber nicht unbedingt. Weitere nationale Kandidaten wären die 96er-Helden von Rapid gewesen: Schöttel, Stöger, Kühbauer. Nicht minder erfahren als Herzog, mangels Lobby aber wohl keine ernst zunehmenden Alternativen. International gesehen, wäre Lars Lagerbäck kein schlechter Griff gewesen. Besonders als Teamchef hätte er massig Erfahrung mitgebracht. Zehn Jahre Schweden, mit Nigeria eine Weltmeisterschaft. Von seiner eigenen Fadesse überzeugt, wäre der Schwede mangels Constantinischem Schmähs aber kein Toller für unseren Boulevard. Christoph Daum als Fachmann sicherlich anerkannt, hatte in den letzten Jahren in Köln, Istanbul und Frankfurt zwar auch nur mäßigen Erfolg, wäre für den österreichischen Fußball aber sicherlich kein Schritt in die falsche Richtung gewesen. Mit Otto Rehagel wäre eventuell der Europameistertitel drin. Im Nachwuchs müsste aber zuerst wieder das Liberospiel gelehrt und Bürschchen unter ein Meter neunzig aussortiert, Wien darf ja nicht Barcelona werden. Marco Pezzaiuolis Namen wurde anfangs wenige Male genannt. Der Konzepttrainer war Windtner und Co. wohl doch zu heiß, weil zu unverbraucht. Und als in Deutschland der Name Matthias Sammer mit dem Öfb in Verbindung gebracht wurde, sorgte dies nur für müde Schmunzler. Die zuletzt spekulierten und üblichen Kandidaten wären dann auch schon genannt. Vielleicht noch Huub Stevens, um den es aber auch schon zu spät war. Loddar Matthäus hätte den Job garantiert gemacht. Manfred Zsak bestimmt. Andi Ogris eventuell. Heli Kraft war bis vor kurzem auch noch frei. Den boulevardschen Vorwürfen zum Trotz müssten dies alles idealere Trainer als Koller sein. Weil Koller ja eben bei Null anfängt. Nett, dass solch eine Besorgnis gezeigt wird, ob der Neo-Teamchef in unserer spielerisch hochwertigen, strukturstarken Fußballlandschaft den Durchblick bis zum Start der WM-Qualifikation in einem Jahr finden wird. Doch schon jetzt wird ihm die Sicht mangels ausreichender Haberie verdeckt.

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