Freitag, 19. August 2011

Frechheit siegt

Die Niederländer waren in der Favoritenrolle. Eigentlich wie immer wenn Niederländer gegen Österreicher kicken. Dass sich der ehemalige Europacupsieger bis auf die ersten dreißig Minuten gegen die Provinzmannschaft aus Ried aber sichtlich schwer tat, hatte mehrere Gründe.

Die Werkself trat im typisch niederländischen 4-3-3 an, während Paul Gludovatz auch im Europacup auf sein unorthodoxes 3-3-3-1-System setzte. Die Rieder agierten im ersten Durchgang aber sehr verhalten. Die drei Abwehrspieler Reifeltshammer, Riegler und Karner waren vorwiegend im Abwehrzentrum zu finden, während die nominellen Defensivmittelfeldspieler Hinum, rechts, und Ziegl, links, die Flanken sicherten. So war jedenfalls die defensive Grundordnung. Auch die offensiven Flügelspieler Royer und im Besonderen Lexa übernahmen Abwehraufgaben. Hadzic, der für den spontan zur Austria transferierten Mader ins Zentrum des Spielfeldes rückte, blieb im ersten Durchgang offensiv blass. Genauso war von Nacho in der Vorwärtsbewegung kaum etwas zu sehen. Wenn es für die PSV gefährlich wurde, dann durch Royer, der ein ums andere Mal auf der linken Seite gegen den Bulgaren Manolev durchbrach und drei, vier Schüsse auf das Tor des schwedischen Keeperes Isaksson abgab. Der Jungnationalspieler war mit Abstand der Aktivste im Offensivspiel der Wikinger. Im Konter ging es für die Gastgeber überwiegend über die andere Seite. Lexas meist langen Bälle fanden aber nur selten den Weg zu Solospitze Hammerer, der sich bei den Lackeln Marcelo und Bouma stets gut aufgehoben fand.

Dass Rieds Spiel hauptsächlich über die Flügel gefährlich wurde, hatte den simplen Grund, dass die Niederländer im Zentrum mit Wijnaldum, Stoorman und Ojo gegen Nacho und Hadzic in Überzahl agierten. Zudem ließ sich Mittelstürmer Toivonen oftmals in die Tiefe fallen und mimte Innenverteidiger Marcelo einen initiativen „freien Mann“ - eine Besonderheit im niederländischen Fußball. Der „freie Mann“ ist einer der beiden Innenverteidiger und vergleichbar mit der ehemaligen Position des Liberos. Er schaltet sich genauso ins Offensivspiel ein und geht bei Angriffen mit, ähnlich wie Inters Lucio. Der „freie Mann“ lässt sich allerdings genauso auch hinter die Verteidigungslinie fallen und mimt den letzten Mann. Bei der Spieleröffnung war dies des Öfteren zu bemerken, passte Torwart Isaksson den Ball hauptsächlich auf Marcelo, der den Ball weiter verteilte.

Im weiteren Spielaufbau war klar zu erkennen, dass die PSV sehr linkslastig agierte. Zwar hatte man mit Lens einen ambitionierten Techniker am rechten Flügel, doch absolvierte Manolev als Rechtsverteidiger seinen Part nicht annähernd überzeugend wie sein linkes Pendant Pieters. Hierfür mag zu einem gewissen Teil bestimmt der quirlige Royer der Grund sein. Zudem kommt aber erneut die Bedeutung von Marcelo als „freier Mann“ zu tragen. Bei Ballverlust hatte Pieters nämlich immer noch Bouma, den linken Innenverteidiger, als Versicherung hinter sich. Hätte jedoch Manolev in der Vorwärtsbewegung den Ball verloren, wäre Marcelo nicht zur Stelle gewesen, da er sich ja, im Sinne des „freien Mannes“, bereits ebenfalls in das Offensivspiel eingeschalten hätte. Bouma hätte als letzter Mann noch einschreiten können, hätte jedoch den längeren Weg nach rechts außen rücken müssen.

Anfangs waren die Rieder mit dem Sturmlauf über ihre rechte Seite etwas überfordert, stellten sich mit Fortdauer der Partie aber gekonnt auf den agilen Mertens und das rotierende Mittelfeld ein. Die Spielvereinigung stand mit einer fast flachen Fünferkette aber phasenweise sehr tief und ließ die Niederländer bis ins eigene Drittel vorstoßen.

Im zweiten Durchgang ließ Paul Gludovatz seine Elf mutiger nach vorne werken. Die Initialzündung war wohl der verletzungsbedingte Wechsel Casanova für Hammerer. Das Pressing der Rieder begann nun schon knapp in der Spielhälfte der Niederländer. Dabei wurde versucht die PSV im Spielaufbau, der nach wie vor überwiegend über links initiiert wurde, früh zu stören. Casanova wurde dabei meist von Lexa unterstützt. Dahinter machte der immer besser ins Spiel findende Nacho den Raum für die Niederländer weiter eng und Anspielstationen rar. Royer wirkte indes nach der ersten intensiven Hälfte immer müder. Die Philips-Elf hatte mit der forscheren Gangart der Österreicher wohl nicht gerechnet. Zumal nun mit Mertens auch der Aktivposten des Einhoveners Angriffspiels verletzungsbedingt vom Platz musste. Es schien bereits nach einer Stunde, dass Ried diese harte Nuss knacken konnte. Die niederländische Kreativabteilung kam schlicht nicht in die Gänge, weil die 9,5-Millionen-Euro-Neuzugänge Wijnaldum, Strootman und Ojo bei den Riedern gut aufgehoben waren und auch die Flanken für die Flügelspieler zugestellt waren. Der Schlüssel im zweiten Durchgang lag aber garantiert im saloppen Pressing der Hausherren, wodurch man Offensivbemühungen der Außendecker schon im Keim ersticken konnte oder bei Ballgewinn eben massig Raum für Konterattacken vorfand.

Für das Rückspiel in sechs Tagen haben die Rieder zwar keine ausgezeichnete Ausgangsposition, aber immerhin besteht eine realistische Chance um den Aufstieg in die Gruppenphase. Unliebsame Überraschungen sollten auf die Wikinger im Philips-Stadion keine mehr lauern, schickte Trainer Fred Rutten gestern seine bestmögliche Elf auf den Platz. Dies zeigt sehr wohl, dass die Niederländer ihre Gegner keineswegs unterschätzen. Eventuell könnten noch die Mittelfeldspieler Hutchinson oder Engelaar den Unterschied machen. Wichtig wird es jedenfalls sein, so lange wie möglich die Null zu halten. Wie die Abwehr bei einem Gegentor bröckelt, konnte man ja bereits in Kopenhagen sehen. Insofern heißt es auch nach einem Gegentreffer die Fassung zu bewahren. Ein zweites Mal wie gegen Bröndby wird ein Hop-oder-Drop wohl nicht funktionieren. Mit Fortdauer eines Remis dürfen die Rieder ihr Heil aber erneut im Konter suchen und vor allem wieder pressen was das Zeug hält. Besonders Bouma in der Innenverteidigung offenbarte im Hinspiel technische Defizite, die man sich zu Nutze machen sollte.

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