Montag, 29. August 2011

Es riecht nach Fisch

Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit bis Anzhi Machatschkala auch durch sportliche Erfolge auf sich aufmerksam macht. Der aktuell Tabellenvierte der russischen Premjer-liga sorgte in den vergangenen Wochen wegen der Traumofferte für den Kameruner Samuel Eto’o europaweit für Schlagzeilen. Der Interista hat vergangene Woche endlich den Kontrakt beim Klub aus Dagestan unterschrieben und avancierte mit seinem Autogramm zum Bestverdiener der weltweiten Kickerriege. Und das als Dreißigjähriger, wo sich die Leistungskurve beim Großteil der Aktiven schön langsam wieder nach unten orientiert. Schlappe Sechzig Millionen soll Eto’o in den nächsten drei Jahren verdienen. Eine pervers anmutende Summe, wenn man bedenkt, dass in Ostafrika gerade zwölf Millionen Menschen Hunger leiden und ihnen mit ein paar Euros schon einige Wochen geholfen wäre.

Dass hinter Anzhi, ins Deutsche übersetzt „Perle“, natürlich ein Gönner steht, konnte man sich fast denken. Suleiman Kerimows Privatvermögen bezifferte sich 2008 noch auf 17,5 Milliarden US-Dollar. Nach der Krise sollen es laut Forbes-Magazin „nur noch“ 3,1 Milliarden sein, dennoch zählt der Lesgier nach wie vor zu den reichsten Russen. Diesen Reichtum mag er aber nicht nur mit seinem neuesten Sternchen Eto’o teilen. Bereits seit längerer Zeit verteidigt der mittlerweile 38-jährige Roberto Carlos für die Perle aus Dagestan und wird dafür fürstlich entlohnt. Mittlerweile spielen noch drei andere Brasilianer für Kerimow. Im Winter wechselte der Innenverteidiger Joao Carlos aus Genk an den Kaukasus, genauso wie Jucilei, der Abräumer vor der Abwehr. Er kam für satte zehn Millionen Euro von den Corinthians aus Sao Paulo. Der Vierte im Bunde heißt Diego Tardelli. Der 26-jährige Angreifer kostete vergleichsweise schlappe fünf Millionen Euro und stürmte bereits für Betis und die PSV Eindhoven. Dass im Winter weiters der Mittelfeldspieler Mbark Boussoufa für acht Millionen Euro von Anderlecht und im Juli für 14 Millionen Euro der ungarische Teamstürmer Balázs Dzsudzsák von der PSV kamen, ging im Transferrummel gänzlich unter.

Mit der Verpflichtung Eto’os setzt Anzhi neue Maßstäbe im Wettrüsten um sportlichen Ruhm. Die Abramowitschs dieser Welt müssen sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Mit Malaga und Paris Saint-Germain agierten diesen Sommer zwei neue Vereine in Investorenhand am Transfermarkt äußerst aggressiv. Wirtschaftliche Interessen haben die Paten hinter ihren Investments eher keine. Denn weder Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan von Manchester City, noch Sheikh Abdullah Al Thani von Malaga oder der Emir von Katar, der PSG unterstützt, haben wohl die Muße noch reicher zu werden. Kerimow oder Abramowitsch sind da wohl keine Ausnahmen. Im Vordergrund steht die eigene Popularität zu steigern.

Insofern sind die von der Uefa gehegten Ideen eines „Financial Fair-Plays“ bestimmt nicht falsch. Der Grundgedanke ist jener, dass Vereine in Zukunft nicht mehr Geld - vor allem für Spielertransfers - ausgeben dürfen als sie einnehmen (dazu zählen die Grundeinnahmequellen eines unabhängigen Klubs, ohne Einkünfte von Investoren). Ein berechtigter Vorschlag, wenn der FC Barcelona als Meister und Champions-League-Sieger dennoch Verluste schreibt. Ingesamt macht das Financial Fairplay, welches ab der Saison 2013/14 angewandt wird, aber lediglich die Arbeit an Europas Spitze transparenter. Denn „geringe“ Fehlmargen werden auch in Zukunft toleriert. Ein allmählicher Übergangsprozess soll in den kommenden Saisonen ein langfristig effizienteres Wirtschaften ermöglich. So wird bis zur Saison 2014/15 noch ein Defizit von 45 Millionen Euro für den Vergleichszeitraum, welcher drei Spielzeiten beträgt, geduldet. Bis 2017/18 wird diese Summe auf 30 Millionen Euro verkleinert, ehe danach ein Minus von fünf Millionen Euro stehen darf. Insofern sind diese Reglungen für österreichische Vereine, mit Ausnahme von Red Bull Salzburg, von keiner bedeutenden Relevanz, da mit solch horrenden Summen in unserer Liga eher selten hantiert wird.

Die Konsequenzen gegen diese Regelungen reichen sogar bis zum Ausschluss aus dem Europapokal. Angesichts der Tatsache, dass Anzhi, Malaga und Paris Saint-Germain diese Saison ein sattes Minus auf Grund ihrer Transferaktivitäten einfahren und ihre defizitären Transfergeschäfte wohl auch in den kommenden Perioden fortsetzen werden, stehen die ersten Kandidaten für deren Maßnahmen bereit, da diese Saison bereits als erste Vergleichsperiode für die Saison 2013/14 bestimmt ist.

Dennoch gibt es nach wie vor Ungereimtheiten zu klären. Zwar haben es Investoren wie Kerimow oder Abramowitsch nun schwerer Geld in ihre Vereine zu pumpen, unmöglich wird dies allerdings nicht - auch in den bis dato erlebten Summen. Unter dem Mantel des Sponsoring können Millionenzahlungen mit geleistetem Gegenwert, so wie von der Uefa gefordert, getätigt werden. Der Investor hätte sogar einen zusätzlichen Werbewert. Weitere Maßnahmen seitens der Uefa wären auf juristischer Ebene zu hinterfragen, da die von der Europäischen Union propagierte freie Marktwirtschaft durch weitere Reglements zunehmend eingeschnürt würde. Insofern wird auch Dietrich Mateschitz mit seinen Fußballklubs keine gröberen Schwierigkeiten zu erwarten haben, genauso wenig wie die Werksmannschaften aus Leverkusen und Wolfsburg.

Unterm Strich wird die eigentlich sportliche Stellung von „Investorenvereinen“ gestärkt, da es nun Vereinen ohne Gönnern nicht mehr gestattet wird, finanziell mitzuziehen. Chelsea, Anzhi oder Manchester City spielt dies, genauer betrachtet, mehr in die Karten als Bayern München. Fakt ist aber auch, dass unabhängige Klubs dazu angehalten werden, effektiver zu wirtschaften und so ein geringes Risiko besteht sich massiv zu verschulden. Sportlich wird die Schere in den kommenden Spielzeiten aber noch weiter aus einander gehen. Und eigentlich ist die Uefa als Institution mit ihren Bewerben, ins besondere der hyperkommerziellen Champions League, die mit exorbitant höheren Prämien als die Europa League und einem hier wie dort propagierten für den Laien intransparenten Setzsystem den „kleinen“ Verein massiv benachteiligt und so eine Scherenöffnung mehr forciert als es Abramowitsch je getan hatte, eher zu hinterfragen. Denn der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen