Freitag, 12. August 2011

Fußballklubs borgen sich Geld bei den Fans

Eine wachsende Zahl von Bundesligavereinen setzt bei der Finanzierung auf Anleihen. Sie nutzen damit die Chance, sich frisches Kapital zu günstigen Konditionen zu besorgen. Nach Ansicht von Experten sind die Renditen für Anleger angesichts hoher Risiken vergleichsweise gering.

Thomas Mersch Köln Den Saisonstart hat Arminia Bielefeld verpatzt. Mit nur einem Punkt liegt der ostwestfälische Traditionsklub nach drei Spielen auf Rang 17 der dritten Liga. Im DFB-Pokal sind die Bielefelder Kicker in der ersten Runde gescheitert. Auch finanziell ist die Lage angespannt. Die Lizenz für die aktuelle Saison erhielt der Zweitligaabsteiger nur unter der Bedingung, dass die laufende Liquidität nicht durch eine im September fällige Anleihe in Höhe von 2,9 Millionen Euro belastet wird.

Das möchte Arminia mit einer weiteren Anleihe sicherstellen, die seit Mitte Juli gezeichnet werden kann. Der Klub will möglichst viele Altzeichner dazu bewegen, ihr Kapital direkt in die neue Anleihe zu investieren. „Unser Ziel ist, die reine Rückzahlung so niedrig wie möglich zu halten“, sagt Klubsprecher Marcus Uhlig. Parallel hofft Bielefeld auf neue Anleger. Genaue Angaben zur aktuellen Zahl der Unterstützer macht Uhlig nicht. „Wir erfahren guten Zuspruch“, sagt er, „brauchen aber noch mehr Leute.“

Keine Sicherheiten erforderlich.

Auf der Suche nach Alternativen zum Bankkredit setzen Fußballklubs verstärkt auf Anleihen - vor allem Fans sollen investieren. Mit Hertha BSC, Schalke 04, dem 1.FC Nürnberg und dem 1. FC Köln haben vier aktuelle Erstligisten auf diese Weise Kapital eingesammelt - ebenso die Zweitligisten Alemannia Aachen, 1860 München und Hansa Rostock sowie Drittligist Bielefeld. „Fußballanleihen stellen für Klubs eine durchaus sinnvolle Finanzierungsalternative dar“, sagt Karlheinz Küting, Direktor des Centrums für Bilanzierung und Prüfung an der Universität des Saarlands. „Insbesondere in finanziell schwierigen Zeiten können zusätzliche liquide Mittel zu einem vergleichsweise niedrigen Zinssatz beschafft werden.“

Vorzüge für Vereine erkennt auch Fabian Kirchmann, Vorstand der auf Finanzkommunikation spezialisierten Firma IR.on in Köln. "Die Zielgruppe ist klar adressierbar und es sind keine Sicherheiten erforderlich", sagt Kirchmann, der mehrere Anleihen von Mittelständlern begleitet hat. „Bei der Platzierung gab es überwiegend eine hohe Erfolgsquote.“ Nur zwei der von Kirchmann analysierten Anleihen deutscher Klubs blieben deutlich unter den angepeilten Erlösen: Hertha BSC spielte in diesem Jahr statt der erhofften sechs nur 3,5 Millionen Euro ein. Aachen schaffte 2008 statt fünf nur 4,2 Millionen Euro. 1860 München bildet einen Sonderfall - der Klub stoppte laut IR.on letztes Jahr die Zeichnung einer Anleihe nach einem Wechsel in der Geschäftsführung.

Schalke schafft höchste Erlöse.

Die höchsten Einnahmen mit einer Fußballanleihe erzielte 2010 der FC Schalke 04. Das Zielvolumen lag bei zehn Millionen, tatsächlich warb der Revierklub elf Millionen Euro ein. „Die Erlöse nutzen wir, um Verbindlichkeiten umzufinanzieren“, sagt Geschäftsführer Peter Peters. 5,5 Prozent Zinsen bekommen Anleger jährlich.

Ende vergangenen Jahres lagen die Verbindlichkeiten des gesamten Vereins bei mehr als 200 Millionen Euro. Diese Marke will das Schalke-Management noch in diesem Jahr unterschreiten und die Schulden bis 2025 ganz tilgen. „Es ist sicher nicht das optimale Anleiheumfeld“, sagt Peters - er hält die Ausfallrisiken aber für kalkulierbar: „Schalke 04 wird immer ein Klub sein, der existiert und Fußball spielt.“ Die Anleger handeln seiner Ansicht nach nicht nur aus Treue zum Verein: „Viele bewerten das Verhältnis von Zins und Risiko ganz rational.“

Zwar sei noch keine Fußballanleihe ausgefallen, sagt Kirchmann. „Im Fall von Alemannia Aachen ist aber die Stadt eingesprungen, als der Klub Gefahr lief, seine Anleihe nicht bedienen zu können.“ Er weist auf beträchtliche Risiken für Anleger hin: „Fußballanleihen sind in der Regel nicht besichert. Bei Insolvenz droht ein Verlust des gesamten eingesetzten Kapitals.“

Begrenzt konkurrenzfähig.

Die Zinsen von fünf bis sieben Prozent hält Kirchmann deshalb für zu niedrig. „Hätten die Anleihen wie üblich ein Rating, wären sie allesamt Junk-Bonds. Sie müssten normalerweise einen Kupon von über zehn Prozent bieten, um das Risiko zu rechtfertigen.“ Für Mittelstandsanleihen hat er einen typischen Zins von sechs bis neun Prozent ermittelt. Im Hinblick auf allein renditeorientierte Anleger sei die Konkurrenzfähigkeit von Fußballanleihen gering. „Die Emissionen dienen eher der Sanierung der Finanzen mit Hilfe der eigenen Anhängerschaft“, urteilt Kirchmann.

Als eine Ursache für die hohen Risiken nennt er „mögliche Schwankungen bei Umsatz und Erträgen, die stark vom sportlichen Erfolg abhängen“. Entscheidend sei etwa, ob ein internationaler Wettbewerb erreicht werde. „Das lässt sich nicht mit Sicherheit planen.“

Vor sechs Jahren hat auch der 1.FC Köln eine Anleihe begeben und konnte damit die erhofften fünf Millionen Euro einspielen. Der Erlös sei in Transfers, Nachwuchsarbeit und Infrastruktur geflossen, sagt FC-Geschäftsführer Oliver Leki. „Für uns war wichtig, ein Finanzierungsinstrument zu finden, das Alternativen zum Bankkredit bietet.“ Im August wurde die Anleihe fällig. 80 Prozent der Papiere befanden sich laut Leki in Depots von Anlegern - das Geld sei zurücküberwiesen worden. „Derzeit ist keine Neuauflage geplant“, sagt Leki. Falls es künftig Liquiditätsbedarf für ein Projekt gebe, „werden wir darüber nachdenken“.

Fraglich ist nun, wie viele der Erwerber von Schmuckurkunden auf die Rückzahlung verzichten und das Papier lieber als Erinnerungsstück unversehrt samt Zinskupons behalten. Das Geld bekäme der FC dann praktisch geschenkt.


Quelle: Handelsblatt von Donnerstag, 11. August 2011; Seite 50

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